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„Best Practice ist eine Geschichte“ | 253
(Swyngedouw 2009). Damit ist gemeint, dass Regieren zu einer „techno-manageria-
len Praxis“ (Swyngedouw 2016) wird, die Gesellschaft auf eine solche Weise steuert,
ohne dass Logiken und Routinen des bestehenden gesellschaftspolitischen Systems
und seiner konstitutiven Machtverhältnisse verändert werden müssen. Das kommu-
nale Klimaschutzmanagement als machtvolle Form der Governance kann als solch
eine techno-manageriale Regierungspraxis verstanden werden, die das gegenwärtige
Verwaltungshandeln in Bezug auf den Klimaschutz prägt.
„Depoliticization […] involves all counter-strategies which seek to conceal the contingency of
reality, sew the gaps in hegemonic discourses and channel dislocations in such a way that fun-
damental social structures remain untouched.“ (Stephan et al. 2014: 70)
Der post-politische Zustand basiert auf Konsensbildung, Kollaboration und Pragma-
tismus, die Politik zu einer technischen, projektfokussierten Aktivität jenseits von
Konflikten machen. Durch die Einführung von Managementtechniken wie Best Prac-
tices, Benchmarking und kalkulativen Regierungstechniken wie Kosten-Nutzen-Be-
rechnungen soll sowohl verwaltungsintern als auch -extern gezeigt werden, wie ef-
fektiv Politikinterventionen wirken (Raco und Lin 2012). Die aktive Konstruktion
von Konsens ist dabei zentral, damit Machtgefüge, Konflikte und Exklusionen un-
sichtbar werden und Politik so durch ein Set an technischen Praktiken, Wissensfor-
men und Institutionen das Politische – den Raum der Uneinigkeit – einzudämmen
vermag (Barry 2002; Bruno 2009).
Klimapolitik bspw. wird hauptsächlich durch einen wissenschaftlichen Konsens
legitimiert (vgl. Kapitel #Klimawandel als Politikproblem), der sich in einen politi-
schen Konsens übersetzt (Swyngedouw 2009). Konsens wird am effektivsten durch
solche Urban Governance-Techniken hergestellt, die bestimmte Rationalitäten unter-
stützen, indem sie spezifische Handlungsweisen als selbstverständlich erscheinen
lassen (Davidson und Iveson 2014). Best Practices können als eine solche Regie-
rungstechnik angesehen werden, denn der Best Practice-Ansatz basiert auf der Idee
der Effizienz und Beschleunigung der Umsetzung von Maßnahmen – einhergehend
mit der Beschneidung des Raums für Diskussionen (vgl. auch Bruno 2009 zu „Bench-
marking“). Wie im Kapitel #Zur Performativität von Best Practices gezeigt, kann die
diskursive Verknüpfung von bestimmten Praktiken mit den Bezeichnungen „best“
oder „good“ dazu führen, dass diese mehr oder weniger als gegeben hingenommen
und als „gut an sich“ aufgefasst werden. Damit repräsentieren Best Practice-Beispiele
sedimentierte Strukturen eines Diskurses, die als selbstverständlich angesehen und
dadurch hegemonial werden, sodass sie nicht mehr hinterfragt werden: „Once a dis-
course is settled, it excludes some notions and ideas, and thus gives rise to an anta-
gonistic outside as the necessary ‚Other‘ of social life.“ (Stephan et al. 2014: 69)
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315