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„Best Practice ist eine Geschichte“ | 255
Die Regierung des Klimawandels wird so – analog zur Problematisierung als MLG-
Problem – zu einer stakeholderbasierten Handlungsweise, im Zuge derer nationale,
regionale oder kommunale Regierungsakteure gemeinsam mit Experten, Nichtregie-
rungsorganisationen und anderen „verantwortlichen“ Partnern kooperieren und dis-
kutieren, wobei jedoch irreversible Entscheidungen vermieden werden (MacLeod
2013; Swyngedouw 2010). Best Practices werden in diesem Zusammenhang zu ei-
nem Vehikel, das bestimmte Maßnahmen und Akteure befähigt und andere benach-
teiligt. Einerseits wird politisch relevantes Wissen als Erfolg bzw. vorbildliches Pra-
xisbeispiel gerahmt, das in andere Orte exportiert und aufgenommen werden sollte,
während andererseits alternative Zukunftsvisionen als außerhalb der Grenzen der po-
litischen Diskussion definiert werden (Moore 2013). Best Practices sind daher ein
Mittel, den Raum der möglichen politischen Interventionen zu definieren und festzu-
legen, welche Lösungsstrategien denkbar sind und welche nicht. Damit tragen sie zur
allgemeinen Konsensbildung bei und machen das Regieren zu einer technischen, pro-
jektfokussierten Aktivität jenseits von Konflikten (vgl. Bruno 2009).
Obwohl Best Practices unbestreitbar depolitisierende Effekte haben, halte ich es
für wenig zielführend, die Konstruktion von Konsens und die gleichzeitige Margina-
lisierung von Dissens durch Best Practices schlicht als Teil einer zwangsläufigen De-
politisierung der Klimagovernance zu verstehen. Statt einen generellen Trend hin zu
post-politischen Formen der Governance festzustellen, sollten die konkreten Pro-
zesse und Implikationen depolitisierender Momente in der Klimagovernance stärker
untersucht und infrage gestellt werden. Apokalyptische Visionen und neue Großer-
zählungen vom Ende der Politik und der Demokratie an sich – wie sie von einigen
Autoren evoziert werden (z.B. in Swyngedouw 2010) –, halte ich für kontraproduk-
tiv, da hier unvermeidliche Brüche, Widersprüche und Widerstände ausgeblendet
werden, sodass letztendlich unklar bliebt, wie diese depolitisierenden Prozesse auf-
gehalten, umgekehrt oder bekämpft werden können. Best Practices haben nämlich
nicht nur depolitisierende Effekte. Zwar lassen sich viele Elemente eines post-politi-
schen Zustands im kommunalen Klimaschutzmanagement finden: Politische Fragen
werden zu technischen Fragen; die Diskussion darüber, wie und was zu regieren ist
sowie über die möglichen Verteilungseffekte einzelner Maßnahmen wird mit Ver-
weisen auf Fachwissen und Experten beschnitten und Bürger werden zur Partizipa-
tion ermutigt, wobei der Handlungsspielraum stark limitiert ist (Li 2007). Doch wo
(kommunaler) Klimaschutz nach außen hin als gewollt und konsensual erscheint, ist
er auf der Arbeitsebene ein stark umkämpftes Politikfeld (F-150312-Rheine). Die
Produktion verschiedener kommunaler klimapolitischer Pfade durch Best Climate
Practices mündet nicht automatisch in objektive Anleitungen für eine klimafreundli-
che Stadt, sondern Best Practices spiegeln einen dezidiert politischen Prozess wider
– wie im Verlauf des vorhergehenden Kapitels (#Best Climate Practices) gezeigt
wurde. Dies macht die scheinbar stabile post-politische Situation fragil: Was auf den
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315