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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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13Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern Seit den 1980er Jahren rückten teils von der erweiterten Strukturgeschichte, teils von der sich davon abhebenden Alltagsgeschichte23 beeinflusste Arbeiten das Ver- hältnis von NS-Herrschaft und ländlicher Gesellschaft stärker ins Zentrum. An- statt des systemimmanenten Widerspruchs zwischen Agrarideologie und Kriegser- nährungswirtschaft betonte dieser Ansatz den Widerspruch zwischen NS-System und ländlichem Alltagsleben in Gestalt der Resistenz ländlicher „sozialmoralischer Milieus“ gegenüber dem Zugriff des Nationalsozialismus, dem Leitmotiv des „Bay- ern-Projekts“ um Martin Broszat.24 Als bevorzugtes Genre diente die Regionalstu- die, die der milieubedingten „Beharrungskraft“ vor allem katholisch orientierter bäuerlicher Bevölkerungsteile gegenüber den Anreizen und Zumutungen des NS- Regimes  – Erbhofrecht, Lebensmittelbewirtschaftung, Zwangsarbeitseinsatz und so fort25  – aus der Nahsicht nachspürte. Demzufolge erwiesen sich die Akteure der ländlichen Gesellschaft  – einschließlich der „Landfrauen“26  – als weniger passiv, als die politik- und wirtschaftshistorische Forschung annehmen ließ ; sie zeigten sich in durchaus aktiver Weise als resistent gegenüber Versuchen der „Gleichschaltung“ ländlicher Arbeits- und Lebensbereiche, etwa des Vereinswesens,27 nahmen aber auch, etwa mittels Denunziationen,28 aktiv daran teil. Maßgebliche Regionalstu- dien zur bäuerlich geprägten Agrargesellschaft stammen von Daniela Münkel,29 die auf die ambivalente Doppelrolle regionaler und lokaler Herrschaftsinstanzen in einem niedersächsischen Landkreis hinwies, weiters von Beatrix Herlemann für Niedersachsen, Theresia Bauer für Bayern und Jill Stephenson für Württemberg30. Mario Niemann konstatiert auch für den mecklenburgischen Großgrundbesitz  – trotz der NS-Affinität jüngerer Gutspächter und -besitzer  – eine milieubedingte Distanz zum Nationalsozialismus, die sich aus protestantischen, monarchistischen und konservativen Orientierungen speiste.31 Seit den 1990er Jahren hat im Zuge weiterreichender cultural turns der histori- schen Wissenschaften das Unbehagen mit den etablierten Ansätzen  – dem der Na- zifizierung ebenso wie dem der Resistenz  – zugenommen.32 Aus einer poststruktu- ralistischen oder, genauer, „praxeologischen“33 Perspektive erscheinen nicht nur die nationalgeschichtlich gerahmten Erzählungen über die Aktionen des NS-Regimes als Ausdruck von Politik- und Wirtschaftsstrukturen obsolet. Auch die Regional- studien zu den Reaktionen der ländlichen Gesellschaft, die ihren Gegenstand meist entlang derselben politisch-ökonomischen Strukturen entwerfen, bleiben zwar unbeabsichtigt, aber funktional der Systemperspektive verhaftet.34 Einen Ausweg aus diesem Dilemma eröffnet der Entwurf ländlicher Gesellschaft nicht allein von den Kommandohöhen des NS-Systems her, sondern auch aus der Alltagsperspek- tive der Akteure  – der weiblichen und männlichen  – in Region, Dorf und Haus.35 Ausgangspunkt sind weder die Aktionen ‚von oben‘, noch die Reaktionen ‚von un- ten‘ ; vielmehr sind es die eigensinnigen Wahrnehmungs-, Deutungs- und Hand-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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