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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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43Die Konstruktion des „Hoforganismus“ Die Hofkarte diente vor allem dem Leistungsvergleich von Betrieb zu Betrieb sowie für den einzelnen Betrieb von Jahr zu Jahr. Eine Urschrift der Hofkarte sollte vom Ortsbauernführer zusammen mit dem Betriebsinhaber ausgefüllt, in einer Sammelmappe der Kreisbauernschaft übermittelt und dort, nach genauer Prüfung, in eine Kartei übertragen werden. Daneben konnten Betriebsinhaber den Vordruck der Hofkarte in Form eines handlichen Heftes (Meine Hofkarte) be- ziehen, um sich durch regelmäßige Eintragungen die Entwicklung des eigenen Hofes, im Wortsinn, vor Augen zu führen. Die Koppelung von Fremd- und Selbst- überwachung sollte, so die Statistiker des Reichsnährstandes, die Richtigkeit der Angaben gewährleisten ; denn die Eintragungen in der Hofkarte dienten nicht nur zur Bemessung der Forderungen, sondern auch der Förderungen des NS-Agrarap- parats.38 Der agrarstatistische Doppelblick  – von außen wie von innen  – glich ei- nem panopticon, dessen Insassen stets damit rechnen mussten, von außen beobach- tet zu werden.39 In welchem Maß die Hofkarte die bäuerliche Rechenhaftigkeit förderte und zugleich forderte, zeigt der Fall eines Bergbauern in Schwarzenbach an der Pielach, der seine jährlichen Eintragungen in das Hofkarten-Heft bis in die 1950er Jahre fortsetzte und sich später freiwillig für die Buchführung der Land- wirtschaftskammer zur Verfügung stellte.40 Wie die Hofkarte auf betrieblicher Ebene war auch die Kreiswirtschaftsmappe auf regionaler Ebene als dezentrale, laufend berichtigte Datensammlung ange- legt. Für die ständige Fortschreibung wurde ein eigener Nachrichtendienst ein- gerichtet. Die Kreiswirtschaftsmappe lag in drei Ausfertigungen  – eine in der Kreisbauernschaft, eine in der Landesbauernschaft und eine im Verwaltungsamt des Reichsbauernführers  – vor. Sie versammelte zum einen die Kreisergebnisse der amtlichen Agrarstatistik, vor allem der letzten landwirtschaftlichen Betriebs- zählung, der Bodennutzungserhebungen und der Viehzählungen ; zum anderen enthielt sie die Kreiszahlen statistischer Erhebungen des Reichsnährstandes. Mithilfe der Kreiswirtschaftsmappe sollte es gelingen, die regionale Vielgestal- tigkeit des „Wirtschaftshofs Deutschland“ zahlenmäßig zu erfassen.41 Zusam- men mit der Hofkarte ermöglichte die Kreiswirtschaftsmappe die statistische Durchleuchtung des ‚nationalen Hofes‘ als organisches Ganzes : „Wie die Kreis- wirtschaftsmappe in der zahlenmäßigen Erfassung der Wirtschaft vom Ganzen zum Kreis vorstößt, so musste ergänzend ein Hilfsmittel [die Hofkarte] geschaf- fen werden, das es ermöglichte, vom Kreis zum Betrieb vorzustoßen.“ Diesen Vorstoß begriffen die Statistiker des Reichsnährstandes nicht nur als Durchblick, sondern auch als Durchgriff auf die Teile des Ganzen : „Muß man schon be- strebt sein, bei der kreisweisen Steuerung der Maßnahmen jeden Schematismus zu vermeiden, so gilt dies ganz besonders für die Maßnahmen, die den einzelnen Betrieb betreffen.“42
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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