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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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48 Anatomie eines „lebenden Organismus“ Zwerg- und kleinbäuerlichen Betrieben erforderte die bestmögliche Versorgung der Familie, auf kleinen Flächen nachhaltig hohe Erträge  – etwa, sofern die kli- matischen und verkehrstechnischen Voraussetzungen gegeben waren, durch Wein- oder Gemüsebau  – zu erwirtschaften. Die Abhängigkeit der Produktions- von den Konsumentscheidungen kehrte sich jedoch in den oberen zwei Größenklassen ten- denziell um ; hier übertraf der betriebliche Arbeitsaufwand die Leistungskraft der Besitzerfamilie bei Weitem : Nennenswerte Anteile familienfremder Arbeitskräfte zeigten bereits die großbäuerlichen Betriebe ; die Großbetriebe wirtschafteten fast ausschließlich mit Fremdarbeitskräften. Obwohl die Zahlen der nichtständigen Arbeitskräfte nur eine Momentaufnahme zum Erhebungszeitpunkt bieten, zeigen sie einige Zusammenhänge auf : Nichtständige Familienarbeitskräfte spielten nur in den Zwergbetrieben eine Rolle  – ein Anzeichen für die Notwendigkeit, das un- zureichende Betriebseinkommen durch außerbetriebliche Einkünfte aufzubessern. Je größer der Betrieb im Allgemeinen und die Menge des täglich zu betreuenden Viehs im Besonderen, desto wichtiger wurden ständige Fremdarbeitskräfte, vor al- lem Knechte und Mägde. Ebenso wuchs die Bedeutung nichtständiger Fremdar- beitskräfte, etwa der Taglöhner/-innen und Saisonarbeiter/-innen, mit steigender Betriebsgröße und schnellte in den Großbetrieben nach oben  – ein Hinweis auf saisonale, mit Familienangehörigen nicht mehr zu bewältigende Arbeitsspitzen, wie sie etwa Getreide- und, noch ausgeprägter, Zuckerrübenbau verursachten. Gemessen am Verhältnis der Arbeitskräfte zum Maschinenbestand waren Zwerg- und kleinbäuerliche Betriebe vergleichsweise gering mechanisiert ; ab einer Be- triebsgröße von etwa fünf Hektar pendelte sich dieses Verhältnis jedoch ein  – ein Anzeichen für die Ende der 1930er Jahre noch beschränkten Größenvorteile (eco- nomies of scale) hinsichtlich der Mechanisierung menschlicher Arbeitstätigkeiten (Abbildung 2.1, Anhang). Die Ergebnisse der landwirtschaftlichen Betriebszählung 1939 wurden nicht nur nach Betriebstypen, sondern auch nach Verwaltungseinheiten, den 27 Stadt- und Landkreisen Niederdonaus, ausgewiesen.52 Auf dieser Grundlage können wir regionale Agrarsysteme in ihrer natur- und sozialräumlichen Abhängigkeit be- trachten. Die Zahl der Verwaltungseinheiten, auch nach Zusammenführung der Stadt- und Landkreise Krems, St. Pölten und Wiener Neustadt, übertrifft mit 24 eine für den Agrarsystem-Vergleich überschaubare Größe. Eine naheliegende Lö- sung dieses Problems liegt in der Zusammenfassung der Klein- zu Großregio- nen. Eine zeitgenössische Gliederung der Kreise Niederdonaus nach „natürlichen Landschaften“ aus der Feder des Agrarökonomen Ludwig Löhr53 dient als Ver- gleichsfolie für die Gliederung nach Großregionen auf Basis der kleinregionalen Agrarsystem-Merkmale. Dazu werden die Kreise entsprechend der agrarsystemi- schen (Un-)Ähnlichkeiten in einem mehrdimensionalen Raum angeordnet ; dabei
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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