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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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56 Anatomie eines „lebenden Organismus“ mer, „dass in der Landwirtschaftsförderung ähnliche Aufgaben zu bewältigen sind, wie sie der Organisator einer Landgutswirtschaft zu lösen hat“  – freilich mit der Einschränkung, dass die Maßnahmen „nur auf dem Umweg über die Besitzer der Landgutswirtschaften“ zur Geltung kommen könnten.69 Die Buchführung, die durch den „Zwang zum Rechnen“ den „Blick für die wirtschaftlichen Vorgänge“ schärfe, erschien ihm in diesem Zusammenhang als „beachtenswertes Erziehungs- mittel“70  – als Koppelung von Selbst- und Fremdsteuerung. Die Macht des Buchführungsdispositivs stieß jedoch bisweilen in der bäuerli- chen Wirtschaftslogik an Grenzen  – ein Problem, das auch die Rentabilitätsexper- ten beschäftigte. Für Steden war dies Anlass, den Reinertrag als Erfolgsmaßstab in Frage zu stellen : „Es ist gerade in der bäuerlichen Buchführung nicht leicht, der Vorstellung des Buchführenden den Begriff des Reinertrags vollkommen zugäng- lich zu machen. Zum Teil liegt dies auch darin, dass der Reinertrag das Wesen der bäuerlichen Landgutswirtschaft zumindest nicht ausschlaggebend erfasst.“71 Das Problem aus bäuerlicher wie aus Expertensicht bestand darin, dass bei der Kalkulation des Reinertrags die fiktiven Lohnansprüche der Familienmitglieder als Betriebsausgaben verbucht wurden. Faktisch wurden jedoch weder den bäu- erlichen Betriebsbesitzern noch deren Kindern oder sonstigen Familienangehö- rigen Monats- oder Jahreslöhne in dieser Höhe ausbezahlt. Erst zum Zeitpunkt des Besitzerwechsels eines Hofes erhielten die Anspruchsberechtigten eine (Teil-) Entschädigung in Sach- oder Geldwerten für ihre jahre- oder jahrzehntelangen Arbeitsleistungen.72 Steden, in den Nachkriegsjahren zum Lehrstuhlinhaber an der Wiener Hochschule für Bodenkultur avanciert, betreute als Konsulent der in Nachfolge der kammereigenen Buchstellen gegründeten Land- und Forstwirt- schaftlichen Buchführungs-Gesellschaft (LBG) die Buchführungsstatistik für Niederösterreich 1937, die zwei Rentabilitätsmaßstäbe enthielt : den Reinertrag als „objektiven“ und das Einkommen als „subjektiven“ Maßstab. Während im Rein- ertrag, der Differenz aus Rohertrag und Aufwand, die Lohnansprüche der Famili- enangehörigen im Rahmen des Personalaufwands abgezogen wurden, waren diese im Einkommen enthalten ; dabei wurden vier Einkommensarten unterschieden : Die Summe aus Reinertrag und Lohnanspruch, das Freieinkommen, abzüglich der Lasten für Ausgedinge und Schuldenzinsen ergab das landwirtschaftliche Ein- kommen, das vermehrt um das Nebeneinkommen das zu versteuernde Gesamt- einkommen der bäuerlichen Familie bildete.73 Auf diese Weise trug die Buchfüh- rungsstatistik, die zunächst die rechnerische Trennung von Haushalt und Betrieb voraussetzte, schließlich dem als Organismus konstruierten Haushalts-Betriebs- System Rechnung. Aus der Logik der Rentabilitätsbestimmung folgte, dass die Buchführungssta- tistik die erhobenen Merkmale nicht nach Verwaltungseinheiten, sondern nach
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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