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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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76 Anatomie eines „lebenden Organismus“ während des Jahres arbeitet, dem Maße entsprechen muß, in welchem ihre Bedürf- nisse befriedigt werden“.111 Dieser als Chayanow’s rule gefasste Zusammenhang unterscheidet die familienwirtschaftliche Gebrauchswert- von der kapitalistischen Tauschwertproduktion in Agrarsystemen.112 Freilich setzt diese Regel bestimmte Bedingungen voraus : die reichliche Verfügbarkeit von Land, die Beschränkung auf die vorhandenen Familienarbeitskräfte, das Vorherrschen der Subsistenzproduk- tion.113 Dennoch lässt sich das Familienwirtschafts-Modell auch an die Bedingun- gen von Landknappheit, familienfremder und außerhäuslicher Lohnarbeit sowie Marktproduktion anpassen.114 Um den endogenen Agrarsystem-Momenten auf die Spur zu kommen, ent- werfen wir wiederum den Raum der regionalen Agrarsysteme  – diesmal jedoch nicht auf Basis der Betriebszählungs-Kreisergebnisse, sondern der weitaus präzise- ren Hofkarten-Sprengelergebnisse. Die Hofkartenstatistik bemisst  – entgegen der Betriebszählung und wie die Buchführungsergebnisse  – die AKE für das gesamte Wirtschaftsjahr ; zudem erfasst sie als einzige Massenerhebung auch die „beköstig- ten“  – einschließlich der nicht mitarbeitenden  – Familienangehörigen. Im Groben entpuppen sich wiederum der agrarische Produktionsschwerpunkt mit 32 Prozent der Gesamtstreuung und das Arbeitskräftearrangement  – um den deterministischen Beiklang der „Arbeitsverfassung“ zu vermeiden  – mit 21 Prozent als Hauptdimen- sionen (Abbildung 2.10). Feine Unterschiede zeigt jedoch das Arbeitskräftearran- gement, das nunmehr nicht zwischen den Ökotypen „Taglöhner-“ und „Gesin- degesellschaft“, sondern zwischen Familienwirtschaft und Gesindebeschäftigung variiert. In den unteren beiden Ecken tritt überdeutlich die Familienwirtschaft mit geringen Gesinde- und Taglöhneranteilen hervor. Sie spaltet sich auf nach links unten in die intensive Familienwirtschaft  – etwa die für Weinbaugebiete charak- teristische „Smallholder-Gesellschaft“  – und nach rechts unten in die extensive Familienwirtschaft in gemischtwirtschaftlichen Gebieten. Je weiter wir vom un- teren zum oberen Pol der senkrechten Dimension wandern, umso mehr tritt der Gesinde- gegenüber dem Familienanteil hervor. Zur rechten oberen Ecke hin stre- ben wir der viehwirtschaftlich akzentuierten „Gesindegesellschaft“ zu ; in der linken oberen Ecke nähern wir uns einem getreidebaulich ausgerichteten Arbeitskraftar- rangement, das sich treffender, als dies das Etikett der „Taglöhnergesellschaft“ ver- mag, als „Taglöhner-Gesinde-Gesellschaft“ fassen lässt. Auf diese Weise erweitert der Raum der regionalen Agrarsysteme in Niederdonau und Wien Ende der 1930er Jahre das mit „Gesinde-“ und „Taglöhnergesellschaft“ zwei- bzw., nach Ergänzung durch die intensiv-familienwirtschaftliche „Smallholder-Gesellschaft“, dreipolige Ökotypen-Modell um die extensive Familienwirtschaft als vierten Pol. Ausgehend vom Ökotypen-Modell haben wir wichtige endogene Agrarsystem- Momente, vor allem die Abhängigkeit des Arbeitskräftearrangements vom Pro-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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