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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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82 Anatomie eines „lebenden Organismus“ Freilich, die Lösung des einen Problems wirft das nächste auf : die Zuverlässigkeit der Daten. Die Annahme, dass die erfassten 1.023 Hofkarten sowie 709 Eintragun- gen in die Kleinbetriebsliste 1941 bis 1944 die regionalen Agrarsysteme abbilden, wäre illusionär : Erstens folgen sie amtlich gesetzten, bestimmte Merkmale ein- und ausschließenden Maßstäben ; zweitens sind Fehler der Erhebungsorgane  – der Hofeigentümer/-innen, Ortsbauernführer und Betriebsstatistiker der Kreisbauern- schaften124  – bei der Umsetzung dieser Maßstäbe anzunehmen ; drittens sind die überlieferten Aktenbestände lückenhaft. Das erste Problem kann durch die De- konstruktion der amtlich konstruierten Agrarstruktur und die Rekonstruktion der Landwirtschaftspraxis zumindest ansatzweise gelöst werden. Das zweite Problem ist zwar nicht gänzlich lösbar, aber bis zu einem gewissen Grad handhabbar : Die Quote unwillkürlicher Fehler hatte sich 1941, im dritten Jahr nach Einführung der Hofkarte, dank zunehmender Routine wohl bereits verringert ; weiters wurden willkürliche Falschangaben durch rigorose amtliche Kontrollen in Zaum gehalten ; zudem konnten im Zuge der Datenerfassung offensichtlich fehlerhafte Eintragun- gen berichtigt werden ; schließlich wurden fehlerhafte, nicht zu berichtigende Da- tensätze von der weiteren Auswertung ausgeschlossen. Das dritte, unlösbare Pro- blem beschränkt sich auf die äußerst lückenhaften Listen der Betriebe unter zwei Hektar in der Ortsgemeinde Auersthal. Kurz, der amtlich geprägte, fehler- und lückenhafte Aktenbestand bietet, trotz aller Beschränkungen, eine hervorragende Grundlage für die Annäherung an das (unter-)bäuerliche Wirtschaften. Aus dem nach Ausschluss von 180 Datensätzen aus inhaltlichen oder formalen Gründen 1.552 Betriebe umfassenden Datenbestand125 entsteht anhand einiger Merkmale der amtlichen Agrarstatistik  – Betriebsgrößenklasse, Betriebstyp und Gemeinde- zugehörigkeit  – für 1941 ein vielschichtiges Bild. Anstatt, wie die Betriebszäh- lungs-, Buchführungs- und Hofkartenstatistik, Durchschnittsbetriebe für die je- weiligen Verwaltungs- oder Produktionsgebiete zu konstruieren, werden  – quasi dekonstruktiv  – regionale und lokale Arrangements von Betrieben rekonstruiert. Auf diese Weise lässt sich das, was die amtliche Durchschnittsstatistik verdeckt, wiederum statistisch zum Vorschein bringen : die Streuung von Betrieben unter- schiedlicher Größen und Typen. Beginnen wir im Pannonischen Flach- und Hügelland und dem eingelagerten Weinbaugebiet im AGB Matzen. Gesamt gesehen, überwogen hier klar die Ge- treide-Weinbauwirtschaften mit 297 von 483 oder 61 Prozent sowie die Betriebe zwischen zwei und fünf Hektar Kulturfläche mit 198 von 483 oder 41 Prozent. Nach Betriebsgrößen und -typen unterschieden, herrschten unter den Betrieben mit weniger als einem Hektar die Weinbau- und Hackfruchtwirtschaften  – groß- teils in reiner Form, zum geringeren Teil gemischt  – vor. In den folgenden beiden Betriebsgrößenklassen verringerten sich zunächst die Anteile der Hackfrucht- und
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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