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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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105Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens jener Abgesandten aus dem Stabsamt des Reichsbauernführers mir eines Tages voll Verachtung sagte : ‚Das sind ja alles gar keine Bauern !’“150 Zweifellos sucht sich der ehemalige Spitzenbeamte in seinen Memoiren als Pragmatiker der Agrar- verwaltung im Kontrast zu den Ideologen des Reichsnährstandes zu inszenieren. Darüber hinaus lässt seine Schilderung aber auch eine amtsoffizielle Rangordnung erkennen : Wenn die ‚Bäuerlichkeit‘ der Weinbau treibenden Familien  – in linker unterer Richtung  – zweifelhaft war, galten die Ackerbau und Viehzucht treibenden Großbetriebe  – in rechter oberer Richtung  – als ‚echte Bauern‘. Folglich zeigt der Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens einen dominanten und einen domi- nierten Pol : Größere, mit hohem Kapitaleinsatz wirtschaftende Mischwirtschaf- ten erhielten amtsoffiziell mehr Anerkennung zugesprochen als kleinere Weinbau- und sonstige Marktfruchtbetriebe, auf denen sich vor allem Familienangehörige tummelten. Kurz, das Feld der Häusler- und Bauernwirtschaft war nicht eben be- schaffen, sondern wies ein erhebliches (Macht-)Gefälle auf. Um die Agrarsysteme und die Wirtschaftsstile ihrer Akteure zu bestimmen, werden die 1.552 Höfe entsprechend ihrer Lagebeziehungen im Raum des (unter-) bäuerlichen Wirtschaftens zu zehn gleichartigen Gruppen zusammengefasst. Im Vergleich der Merkmalsprofile lassen sich diese Gruppen genauer charakterisie- ren und entsprechend herausragender Eigenschaften benennen (Abbildungen 2.20 und 2.21). Die Gesamtheit der 1.552 Höfe in den Regionen Litschau, Mank und Matzen verteilt sich auf 99 Zuckerrübenbauern, 160 Maschinenmänner, 182 Misch- wirtschafter, 171 Ochsenbauern, 170 Gewerbebauern, 237 Arbeiterbauernfamilien, 196 Nebenerwerbsbauernfamilien, 67 Weinhauerfamilien, 164 Kleinbauernfamilien und 106 Ackerbäuerinnen. Zusammen beschreiben diese Gruppen ein Spektrum von Agrarsystemen und korrespondierenden Wirtschaftsstilen, die unterschiedlich gefärbt sind : manche  – etwa die Zuckerrübenbauern  – durch die Bodennutzung, manche  – wie die Ochsenbauern  – durch die Viehhaltung, manche  – wie die Acker- bäuerinnen  – durch das Geschlecht der Betriebsleiter/-innen, manche  – wie die Maschinenmänner  – durch das Intensitätsprofil, manche  – wie die Arbeiterbauern- familien  – durch den außerlandwirtschaftlichen Erwerb und das Haushaltsprofil. Freilich, die Höfe lassen sich nicht dermaßen scharf voneinander trennen ; an den Rändern der Gruppierungen verschwimmen die Unterschiede. Es macht daher wenig Sinn, wiederum  – wie in der amtlichen Agrarstatistik  – abstrakte Durch- schnittsbetriebe zu berechnen ; sinnvoller ist es, konkrete Höfe inmitten der jewei- ligen Gruppe zu vergleichen (Abbildung 2.22, Anhang).151 Beginnen wir den Gang durch den Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaf- tens bei den Zuckerrübenbauern. Einer von ihnen war Martin Holzer, der gemein- sam mit seiner Frau  – typisch für Gemeindezugehörigkeit, Kulturflächengröße und Betriebstyp dieser Position  – in Auersthal eine 22,1 Hektar große Getreide-Wein-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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