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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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112 Anatomie eines „lebenden Organismus“ der Feldfutterbau ein. Außer einer Familienarbeitskraft  – vermutlich der Frau des Besitzers  – kamen Taglöhner/-innen im jährlichen Ausmaß von 20 Tagen zum Einsatz. Die Jahresarbeitszeit von 1,1 AKE wies einen überdurchschnittlichen Fa- milien-, unterdurchschnittlicher Gesinde- und durchschnittlichen Taglöhneranteil auf. Den ausgeprägten Futterbau legte die hohe Viehdichte  – 3,3 GVE auf 2,6 Hektar  – nahe : Mit dem betriebseigenen und, gegebenenfalls, zugekauften Fut- ter wurden drei Kühe, ein Schwein und einige Hühner versorgt. Mit 0,4 AKE pro Hektar zählte das Anwesen Leopold Dutters zu den arbeitsextensiven, mit 1,3 GVE pro Hektar zu den viehintensiven Betrieben ; Maschinen wurden keine verzeichnet. Neben der Familienarbeitskraft musste der Betrieb eine vielköpfige Schar an Haushaltsangehörigen versorgen : vier Kinder unter 14 Jahren und vier Erwachsene ; der V/A-Quotient schnellte auf den Spitzenwert von 7,8 Personen hinauf. Dieses extreme Übergewicht an nicht im Landwirtschaftsbetrieb mitar- beitenden, aber daraus zu versorgenden Haushaltsangehörigen folgte vermutlich aus deren Mitarbeit im Schmiedebetrieb. An diesem Beispiel erkennen wir, dass für die Gewerbebauern die Landwirtschaft ein wesentliches, jedoch außerlandwirt- schaftlichen Ansprüchen folgendes Standbein neben dem gewerblichen Standbein darstellte.156 Das Pendant zu den Gewerbebauern hinsichtlich des außerlandwirtschaftlichen Erwerbs stellten die Arbeiterbauernfamilien dar. Hier überwog die unselbstständige Berufstätigkeit der Besitzer, wenngleich sich darunter auch Selbstständige  – meist Alleingewerbetreibende wie Schuhmacher, Schneider oder Wagner  – fanden ; häu- fig waren es aber auch ältere Personen, die von Ausgedingeleistungen, einer Pen- sion oder einer Rente lebten. Die überdurchschnittlich oft genannten Hauptberufe der Arbeiterbauern decken ein breites Spektrum zwischen privaten und öffent- lichen, klein- und großbetrieblichen, Waren und Dienstleistungen anbietenden Wirtschaftszweigen ab : Angestellter, Eisenbahner, Fabriksarbeiter, Forstarbeiter, Hilfsarbeiter, Landarbeiter, Maurer, Straßenwärter, Stricker, Weber, Zimmermann. Das Merkmalsprofil zeigt, neben Gemeinsamkeiten wie hoher Vieh- und geringer Maschinenintensität, mit überdurchschnittlichen V/A-Quotienten sowie ausge- prägtem Brotgetreide- und Haferbau zahlreiche Unterschiede zu den Gewerbebau- ern : Hackfruchtwirtschaft, Lage im Waldviertel, Zwergbesitz unter zwei Hektar, Arbeit fast ausschließlich mit Familienangehörigen, hohe Arbeitsintensität, aus- geprägter Kartoffel- und fehlender Handelsgewächsbau. Zu dieser Gruppe zählte die Hackfruchtwirtschaft der Strickerin Leopoldine Eichler in Heidenreichstein. Die Besitzerin bearbeitete ohne weitere Hilfskräfte etwa die Hälfte des zwei Hek- tar umfassenden Besitzes als Acker, die andere Hälfte als Grünland. Ein knappes Viertel des Ackers trug Getreide, gut die Hälfte Kartoffeln und mehr als ein Drit- tel Feldfutter. Zwei Kühe und einige Hennen lieferten Leopoldine Eichler Milch
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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