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113Im
Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens
und Eier. Mit 0,5 AKE und 1,1 GVE pro Hektar lag die Arbeitsintensität im
Durchschnitt, die Viehintensität darüber. Da Leopoldine Eichler weder Kinder
noch Ausnehmer/-innen zu versorgen hatte, lag der V/A-Quotient mit eins unter
dem Durchschnitt. Wie bei den Gewerbebauern spielten auch bei den Arbeiterbau-
ernfamilien das landwirtschaftliche und außerlandwirtschaftliche Standbein – in
diesem Fall : Acker- und Abmelkwirtschaft einerseits, das im Waldviertel noch
weit verbreitete Textilgewerbe andererseits – zusammen ; Betrieb und Haushalt, in
der amtlichen Statistik in höchst problematischer Weise voneinander getrennt,157
waren hier eins.158
Die Nebenerwerbsbauernfamilien unterschieden sich von den Gewerbebauern und
Arbeiterbauernfamilien vor allem durch die gleichmäßigere Verteilung auf die Re-
gionen Litschau, Mank und Matzen, den eher mittelbäuerlichen Zuschnitt, un-
terdurchschnittliche V/A-Quotienten und ein gleichmäßigeres Intensitätsprofil.
Von den Hauptberufen waren Bauarbeiter, Landarbeiter, Postbediensteter, Sattler,
Schlosser, Schneidermeister, Stricker und Tischler erheblich öfter als anderswo ge-
nannt. Zu dieser Gruppe zählte die 7,2 Hektar große Hackfruchtwirtschaft von
Rudolf Moser in Loimanns, die eine Frau
– möglicherweise seine Ehefrau
– führte
und zusammen mit einer weiblichen Familienarbeitskraft – eventuell seiner Toch-
ter
– bewirtschaftete. Die Kulturfläche umfasste etwa 2,7 Hektar Acker, 1,2 Hektar
Grünland und 3,3 Hektar Wald. Auf der einen Hälfte des Ackers gediehen Brot-
getreide und Hafer, auf der anderen Kartoffeln und sonstige Hackfrüchte. Zum
Viehstand zählten drei Milch- und Arbeitskühe, eine davon tragend, zwei Mast-
schweine und einiges Federvieh. Mit 0,5 AKE und 0,9 GVE pro Hektar lagen
Arbeits- und Viehintensität im Durchschnitt ; Maschinen waren, wenn überhaupt,
nur in geringem Maß vorhanden. Der V/A-Quotient lag mit 3,6 Personen außer-
gewöhnlich hoch ; neben den beiden Frauen waren im Haushalt drei Erwachsene
und drei Kinder zu versorgen – ein Hinweis auf einen Gewerbebetrieb. Während
bei Gewerbebauern und Arbeiterbauernfamilien der Haupterwerb oft außerhalb der
Landwirtschaft lag, scheint die Gewichtung von Landwirtschafts- und außerland-
wirtschaftlichem Einkommen bei den Nebenerwerbsbauern ausgeglichener, mit
leichtem Übergewicht in die eine oder andere Richtung, gewesen zu sein. Sie wa-
ren, wie Amphibien zu Wasser und zu Land,159 in beiden Sphären gleichermaßen
zu Hause.160
Während die meisten Gruppen mehr oder minder breit über die Regionen ge-
streut waren, konzentrierten sich die Weinhauerfamilien im Matzener Umland,
genauer, in Raggendorf – ein Umstand, der eine starke Abhängigkeit von Natur-
und Verkehrslage vermuten lässt. Ihr Merkmalsprofil zeigt folgende Eigenarten :
Häufung von Weinbau- und Hackfrucht-Weinbauwirtschaften, vorherrschender
Zwergbesitz, Fehlen von Gesinde- und Taglohnarbeit, unterdurchschnittliche
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937