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125Im
Raum der Gutswirtschaft
59,8 AKE ; die Arbeitsintensität lag mit 0,2 AKE pro Hektar über dem Durch-
schnitt. Der ausgedehnte Gersteanbau diente zur Fütterung eines beträchtlichen
Viehstandes : 18 Pferde und 105 Rinder, davon 20 Ochsen und 65 Milchkühe. Der
Viehstand von 130,5 GVE auf die landwirtschaftliche Nutzfläche bezogen, er-
gibt eine durchschnittliche Viehintensität von 0,5 GVE pro Hektar. Der Neuwert
des Maschinenbestandes, 21.120 Reichsmark, entsprach mit 89,5 Reichsmark pro
Hektar einer unterdurchschnittlichen Maschinenintensität. An Kraftmaschinen,
zwei Drittel des Neuwerts, verfügte der Gutsbetrieb über einen gummibereiften
Dieselschlepper, einen Elektromotor und eine Lokomobile. Die Arbeitsmaschi-
nen, das übrige Drittel des Neuwerts, umfassten einen gummibereiften Ackerwa-
gen, eine Dresch-, zwei Drill- und vier Hackmaschinen, zwei Grasmäher, einen
Zapfwellenbinder, eine Strohpresse, einen Saatgutbeizer, zwei Kartoffelroder, zwei
Schrotmühlen und eine Milchkühlanlage. Neben den Zuckerrüben, Handelsge-
wächsen und der vermarkteten Milch- und Fleischmenge, über die Aufzeichnun-
gen fehlen, brachte der Verwalter 50 Doppelzentner Getreide, vorwiegend Weizen,
und gut 400 Doppelzentner Heu zur Ablieferung.182
Wenig gemein hatten die Marktfrucht-Milchviehgüter mit den Gesinde-Maschi-
nengütern, die sich durch folgende Akzente auszeichneten : Futter- oder Wald-
wirtschaften, Kulturfläche zwischen 500 und 1.000 Hektar, geringe Arbeits- und
Vieh- bei hoher Maschinenintensität, überdurchschnittliche Gesindeanteile, ge-
ringe Zahl an Pferden, Stierhaltung und ein Maschinenpark, der – etwa durch
den vergleichsweise häufigen Einsatz von Dreschmaschine, Grasmäher und Heu-
wender – vor allem die saisonalen Arbeitsspitzen abflachte. Viele dieser Merkmale
zeigt der Zuckermantelhof von Karl Steiner in Schönkirchen : Die Kulturfläche
umfasste 286,5 Hektar ; davon waren 228 Hektar Acker, 0,5 Hektar Obstgarten
und 58 Hektar Wald. Auf dem Ackerland nahmen die Hackfrüchte – etwa zu
gleichen Teilen Kartoffeln und Zuckerrüben – fast die Hälfte ein ; dann folgten
das Getreide – zwei Drittel Weizen, das übrige Drittel Gerste und etwas Hafer –,
Feldfutter und Hülsenfrüchte. Neben dem Betriebsleiter Walter Steiner, vermut-
lich einem Verwandten des Besitzers, waren sieben Melkerinnen, sieben Knechte
und vier Mägde ständig beschäftigt. Nichtständige Arbeitskräfte wurden nicht ver-
zeichnet ; ob diese Leermeldung zutreffender oder fälschlicherweise erfolgte, kann
nicht entschieden werden.183 Legt man die 19,0 AKE auf die landwirtschaftliche
Nutzfläche um, ergibt sich eine unterdurchschnittliche Arbeitsintensität von 0,1
AKE. Die Gutsbediensteten betreuten einen Viehstand, der 77,7 GVE entsprach.
Auf dem Gut wurden neun Pferde, 64 Rinder, darunter ein Stier, acht Ochsen
und 55 Milchkühe, zwei Schweine und vier Dutzend Federvieh gehalten. Die
Vieh intensität lag mit 0,3 GVE pro Hektar unter dem Durchschnitt. Die geringe
Arbeits- und Viehintensität stand im Zusammenhang mit dem mächtigen Ma-
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937