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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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136 Anatomie eines „lebenden Organismus“ und zehn Hektar Kulturfläche. Das Haushaltsprofil zeigte Häufungen niedriger Gesinde- und Taglöhneranteile. Da häufig niedrige V/A-Quotienten vorlagen, dürfte die festgestellte „Ärmlichkeit“ der Familien kaum durch die Versorgung nicht mitarbeitender Angehöriger verursacht worden sein. Im Intensitätsprofil tre- ten viehextensive und maschinenintensive Betriebe hervor ; während sich Ersteres erwartungsgemäß in das Gesamtprofil einfügt, überrascht Letzteres und dürfte teilweise auf einem Datenfehler beruhen.216 Ein außerlandwirtschaftlicher Neben- erwerb wurde seltener als in anderen Betrieben ausgeübt ; nur Fuhrwerksdienste kamen häufiger vor. Üblicherweise standen die Betriebe im Gemeinschaftsbesitz von Ehepaaren. Die auf 800 Meter Seehöhe, hängig bis steil und in sieben Kilometer Entfernung von der nächsten Bahnstation gelegene Grünlandwirtschaft von Johann Sommer in Frankenfels, AGB Kirchberg an der Pielach, vereinte mehrere Kennzeichen des zä- hen Bauern. Von den 27,3 Hektar Kulturfläche war knapp die Hälfte, 13,4 Hektar, bewaldet ; der Rest verteilte sich auf 6,6 Hektar Acker, 6,6 Hektar Wiese, 0,5 Hek- tar Hutweide und 0,2 Hektar Garten. Neben dem 32-jährigen Besitzer und seiner nicht im Grundbuch eingetragenen 28-jährigen Ehefrau arbeiteten die 21-jährige Stiefschwester und der 61-jährige Vater des Besitzers im Betrieb mit ; familien- fremde Arbeitskräfte wurden nicht verzeichnet. Der Viehstand, zusammen 10,8 GVE, umfasste zwei Zugochsen, zehn Rinder, davon vier Kühe, eine Zuchtsau und vier Mastschweine, zwei Schafe, eine Ziege und 15 Hühner. Die Viehintensität lag mit 0,8 GVE pro Hektar unter dem Durchschnitt. An Maschinen wurden ein Verbrennungsmotor, eine Dreschmaschine und eine Häckselmaschine im Neu- wert von 1.260 Reichsmark registriert ; das entsprach einer überdurchschnittlichen Maschinenintensität von 90 Reichsmark pro Hektar, die jedoch durch den ange- nommenen Neuwert der Handdreschmaschine überhöht erscheint. Im Haushalt lebten noch der 14-jährige Stiefbruder des Besitzers und ein neugeborener Sohn des Bauernpaares ; daraus ergab sich ein unterdurchschnittlicher V/A-Quotient von 1,25 Personen. Die Haupteinnahmen des Betriebes waren der Rinder- und Milchverkauf ; dazu kamen Einkünfte aus der Vermarktung von Schweinen, Holz und Eiern. Der Sachbearbeiter errechnete nach Abzug der Betriebsausgaben und Lebenshaltungskosten einen jährlichen Saldo von 170 Reichsmark. Sein Urteil über den Bauern war einwandfrei : „sehr fleißiger und strebsamer junger Bauer, der den besten Ruf genießt“. Weiters betonte er die Mühe, mit der die Familie den Bergbauernhof bewirtschaftete : „Der Betrieb arbeitet unter schwierigen Erzeu- gungsbedingungen, doch ist er vom sparsamen Besitzer, der ihn erst vor kurzer Zeit übernahm, gut und in Ordnung geführt.“217 Der fehlgeleitete Bauer figurierte im Urteil der Sachbearbeiter gewissermaßen als negatives Gegenbild zur bäuerlichen Zähigkeit. Er trat in den Besichtigungsproto-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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