Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Page - 162 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 162 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Image of the Page - 162 -

Image of the Page - 162 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text of the Page - 162 -

162 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe landwirtschaftlichen „Entjudung“ in Niederdonau den Anteil „arisierter“ Liegen- schaften an der Gesamtzahl von 1.120 Fällen mit 11,9 Prozent und an der Fläche von 22.951 Hektar mit 56,9 Prozent ; folglich waren vor allem größere Besitzungen an „Ariseure“ übertragen worden. Das zeigen auch die unterschiedlichen Durch- führungsquoten in den einzelnen Kreisen : Gemessen an der Gesamtfläche, war die „Entjudung“ in Gän sern dorf, Horn, Waidhofen an der Thaya, Zwettl und Gmünd fast zur Gänze, in Lilienfeld und Mistelbach großteils durchgeführt. Abgesehen von Gmünd handelte es sich durchwegs um Kreise mit größeren Liegenschaften ; zudem lagen die meisten dieser Kreise im  – siehe die Studie der Deutschen Stu- dentenschaft  – „volkstumspolitisch“ sensiblen Grenzland, was den behördlichen Aktivitäten zur „Arisierung“ wohl einen zusätzlichen Impetus verlieh (Abbil- dung 3.2). Hingegen waren die Liegenschaften in den Kreisen mit den gerings- ten Durchführungsquoten mancherorts extrem zersplittert, so etwa in Nikolsburg, Znaim, Eisenstadt und Oberpullendorf. Ein Rechtfertigungsschreiben der Oberen Siedlungsbehörde gegenüber dem REM wegen der geringen Zahl durchgeführter Verfahren in Niederdonau eröffnet genauere Einblicke in die Maschinerie der „Entjudung“ : Einerseits argumentierte der Sachbearbeiter, „daß Ihren Weisungen entsprechend in erster Linie die grö- ßeren Besitzungen, die vorwiegend für Siedlung in Betracht kommen [Hervorhebung im Original], behandelt wurden“. Andererseits hätten der Personalmangel in der eigenen Abteilung und bei anderen Behörden, die mangelhaften Grundbuchs- und Katasteraufzeichnungen in den bis 1918 zu Ungarn gehörenden Kreisen des ehemaligen Burgenlandes, die extreme Zersplitterung der Liegenschaften in den südmährischen Kreisen sowie der Wechsel der Zuständigkeit von der Vermögens- verkehrsstelle über das Ministerium für Landwirtschaft zur Behörde des Reichs- statthalters in Niederdonau die Arbeiten enorm verzögert.53 In dem Schreiben nur zwischen den Zeilen zu lesen war das Eingeständnis, dass die Zug um Zug radi- kalisierte „Arisierung“ der Landwirtschaft selbst zu einem Hindernis geworden war. Der überbordende Verwaltungsaufwand des Verfahrens, Meinungsverschie- denheiten zwischen den beteiligten Behörden und Personalmangel in den Äm- tern streuten mehr und mehr Sand in das Getriebe des „Entjudungsvorgangs“. Er- schwerend wirkte auch die mangelnde Kaufkraft bäuerlicher Bewerber/-innen, die vom Reichsnährstand gegenüber nichtbäuerlichen, aber kapitalkräftigeren Inter- essenten protegiert wurden. Die größeren, lukrativeren Liegenschaften waren auf Weisung Berlins bereits bis Ende 1941, vorwiegend durch die DAG als vom REM beauftragter Abwicklungsstelle für die „Neubildung deutschen Bauerntums“,54 „arisiert“ worden. Von den erworbenen 5.800 Hektar führte die Organisation je- doch nur 1.600 Hektar oder 28 Prozent bäuerlichen Siedlungsverfahren zu ; der Rest wurde weisungsgemäß in „Zwischenbewirtschaftung“ genommen.55 Die klei-
back to the  book Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder