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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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178 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe Landinteressenten  – ein Nutzungskonflikt, der, wie zwischen den Zeilen zu le- sen ist, durch „Arisierungen“ und sonstigen Entzug von Grundbesitz gemildert, aber nicht gelöst wurde. Andererseits waren die therapeutischen Instrumente für die Kriegsdauer nicht mehr verfügbar : die „Umlegung“ von zersplitterten zu geschlossenen Parzellen, deren Bedarf auf 880.000 Hektar oder 64 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche beziffert wurde, und die „Neubildung deut- schen Bauerntums“, deren Landreserve von etwa 10.000 Hektar sich in „Zwi- schenbewirtschaftung“ durch die DAG befand. Angesichts des gegenwärtigen, aus der ferneren und näheren Vergangenheit erwachsenen Dilemmas verlagerte sich die bodenpolitische Aufmerksamkeit auf die Zukunft : „Ein Ausgleich zwischen diesem Druck, der auf dem vorhandenen ‚freien‘ Boden lastet, und dem zur Zeit siedlungspolitisch ‚brachliegenden‘ Landvorrat wird erst nach dem Kriege möglich sein. Die heutige Handhabung der GVB bestätigt nur den Einschnitt, in dem wir stehen.“127 In dieser Äußerung erhaschen wir eine Facette einer Logik, die über die Person Haushofers hinaus wohl das Denken und Handeln anderer bodenpo- litischer Entscheidungsträger anleitete : Die pragmatische, aus mehrjährigem Er- fahrungshintergrund gespeiste Tagesarbeit in den Amtsräumen gewann ihren Sinn zu einem Gutteil aus dem Erwartungshorizont, der „Endsieg“ würde den Weg zur grundsätzlichen Lösung des Problems ebnen.128 Die zweite Problemzone, das Bergland im nordwestlichen Waldviertel und in den südwestlichen Voralpen, sei durch das Nebeneinander von „beste[m] alpenländi- sche[m] Bergbauerntum auf genügend großen Höfen“ sowie „seelisch und materiell angeschlagene[m] Bauerntum“ in „vollem Rückgang“ in manchen Tälern gekenn- zeichnet. Da „Umlegung“ und „Neubildung deutschen Bauerntums“ im Bergland „nicht oder nur beschränkt zur Anwendung kommen konnten“  – die Parzellen waren großteils arrondiert und jüdische Liegenschaften weitaus dünner gesät als im Flach- und Hügelland  –, seien hier andere Mittel notwendig : erstens die „Aufschließung“ der Bergbauernhöfe im Zuge des Zehnjahresprogramms für Güterweg-, Seilbahn- und Lagerhausbauten, zweitens der umfassende „Gemeinschaftsaufbau“, ein „Wen- depunkt in der Praxis der deutschen Agrarpolitik gegenüber dem Bergbauern [Hervorhe- bung im Original]“, der an vier Orten in Niederdonau probeweise angelaufen war, und drittens die Ausstattung der Bergbauernhöfe mit „einem dem Wirtschaftsbe- darf entsprechenden Waldanteil“. Weitere Maßnahmen, die für beide Problemzonen gültig erschienen, umfassten unter anderem die Bekämpfung der „Landflucht“, die Förderung des Genossenschaftswesens und den Ausbau der Veredelungsindustrie.129 Alles in allem entwarf Haushofer in seinen Diagnosen über den Krankheitszustand des „Landvolkes“ in Niederdonau stets auch Therapien zur „Gesundung“, die auf die Kräftigung und Erweiterung des „Bauerntums“  – bei gleichzeitiger Schwächung und Zurückdrängung „fremdvölkischer Elemente“  – abzielten.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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