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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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179Das Doppelgesicht der Bodenordnung Die Texte, in denen sich der Leiter der Landwirtschaftsverwaltung in Niederdo- nau mit den bodenpolitischen Problemen auseinandersetzte, standen im Kontext des Diskurses um die „ländliche Neuordnung“. Das NS-Regime hatte im „Altreich“ seit 1933 nicht nur die bäuerliche Bevölkerung, sondern den gesamten ländlichen Raum zum Gegenstand politischer Planung gemacht. Das „Bauerntum“ sollte die Grundlage der „rassischen Aufartung“ des gesamten „Volkes“ werden. Auf Basis des REG und des Gesetzes zur „Neubildung deutschen Bauerntums“ wurde die bäuerliche Rassenzugehörigkeit zum Auslesekriterium der ländlichen Siedlung er- hoben. Eine „Agrarstrukturreform“ in den dicht bevölkerten Realteilungsgebieten des Deutschen Reiches sollte die notwendigen Siedlerkontingente freisetzen. War der Planungshorizont zunächst auf die ostelbischen, vom Großgrundbesitz domi- nierten Gebiete des Deutschen Reiches beschränkt, erweiterte er sich mit der 1938 beginnenden Expansion Richtung Osten. Dabei stellte die neu institutionalisierte, umfassend angelegte Raumplanung den Monopolanspruch der traditionellen Ag- rarpolitik auf den ländlichen Raum zunehmend infrage. Im polykratischen Kom- petenzstreit um die Führung der ländlichen Siedlungspolitik an der Spitze des NS-Regimes konnte Heinrich Himmler als „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“ die neu eroberten Gebiete in Osteuropa seinem Machtbe- reich einverleiben. Dadurch wurde der Agrarapparat unter Richard W. Darré zwar auf die ländliche Siedlung im „Altreich“ beschränkt ; doch der Reichsernährungs- minister und Reichsbauernführer verfügte über wertvolles „rassisches“ Kapital zur gewaltsamen „Germanisierung“ des Ostens : bäuerliche Siedlerkontingente, die durch eine umfassende „Agrarstrukturreform“ im „Altreich“ mobilisiert werden sollten. Durch eine wissenschaftlich angeleitete Planungsoffensive zur „ländlichen Neuordnung“ im Reichsgebiet seit 1939 konnte Darré vorerst seinen Kompetenz- bereich verteidigen, geriet jedoch zunehmend in Konflikte mit den regionalen Pla- nungen einzelner Gauleiter. Erst nach seiner Ablöse 1942 vermochte Himmler die Kontrolle über die Siedlungsplanung im „Altreich“ an sich zu ziehen.130 Niederdonau zählte zu jenen Reichsgauen, in denen die Planung zur „ländlichen Neuordnung“ bis 1944 abgeschlossen war ; für den Kreis Oberpullendorf wurde so- gar eine Detailplanung erstellt.131 Bereits der Leistungsbericht der Landesbauernschaft Donauland für 1939 und 1940 berichtete über das „Be- und Aussiedlungsverfah- ren“ : „Zweck dieses Verfahrens ist es, im Reichsgebiet gesunde landwirtschaftliche Betriebsformen zu schaffen und Menschenmaterial für die Siedlung im Osten und Westen frei zu bekommen.“132 Unter Koordination durch ein Forschungsinstitut unter der Leitung des umtriebigen Raumforschers Ludwig Neundörfer wurden für etwa 10 Prozent der Gemeinden Bestands- und Wunschbildprotokolle angelegt. Mittels einer ausgefeilten „soziographischen“ Methode entwarfen die Planer, aus- gehend vom Ist-Stand  – dem Bestandsbild  – den Soll-Stand  – das Wunschbild  –
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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