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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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184 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe Gegenüber den Plänen zur „Ausmerze“ der ländlichen Krankheitssymptome durch Umsiedlung reichsdeutscher Landbewohner/-innen nach Osten vertraten bodenpolitische Entscheidungsträger in Niederdonau wie Haushofer und Rein- thaller eine Gegenposition : Sie setzten  – trotz grundsätzlicher Unterstützung der Umsiedlungspläne von West nach Ost  – auf die „Gesundung“ des „Bauerntums“ im Reichsgebiet durch entsprechende Förderungsmaßnahmen. Dieser Konflikt war kein fundamentaler, sondern ein gradueller : Das Fundament der Auseinan- dersetzung war der gemeinsame Glaube an die „Rassenzugehörigkeit“ als Maß für den Wert des „Landvolkes“ ; die Unterschiede bestanden im Grad der Wertschät- zung der materiellen und ideellen Leistungen des „Bauerntums“ für den  – bereits besiedelten und neu zu besiedelnden  – „Lebensraum“. Im Kern entspann sich der Konflikt zwischen regionalen, auf den Reichsgau bezogenen und überregionalen, auf ein „Germanisches Reich“ unter Einschluss Osteuropas ausgerichteten Ent- würfen von Bodenpolitik, die in beiden Fällen inklusive und exklusive Züge trugen. Die Pläne zur „ländlichen Neuordnung“ Niederdonaus und die darüber aus- getragene Debatte bestanden zwar weitgehend nur auf dem Papier ; doch sie ver- weisen einmal mehr auf den Doppelcharakter der nationalsozialistischen Boden- politik, der auf anderen Gebieten nachhaltigere Wirkung entfaltete. Mittels der Angaben über „Arisierung“ und Erbhofbildung lässt sich das Zusammenwirken der exklusiven und inklusiven Aspekte der Bodenpolitik im regionalen Vergleich genauer bestimmen. Zu diesem Zweck betrachten wir die Ausprägungen der sie- ben Merkmale für 23 der 24 Kreise150  – den Anteil „arisierter“ Besitzungen an der Zahl der Fälle und der Gesamtfläche, die Durchschnittsfläche der jüdischen Liegenschaften und Erbhöfe, den Anteil der Betriebe zwischen fünf und 100 Hek- tar an allen Betrieben sowie die an Betriebszahl und Fläche gemessenen Erbhof- dichte  – im wechselseitigen Zusammenhang. Diese Zusammenhänge bilden den mehrdimensionalen Raum der Bodenpolitik, der die Kreise sowie die Ausprägungen ihrer Merkmale verortet. Die beiden wichtigsten Dimensionen erklären 54 Pro- zent der Gesamtstreuung ; die weiteren Dimensionen bleiben hier außer Betracht. Die mit 34 Prozent Erklärungsrate wichtigste Dimension ist durch die Gegen- sätze maximales bzw. minimales Erbhofpotenzial, höchste bzw. niedrigste Erbhof- dichte, größtmögliche bzw. durchschnittliche Arisierungsquote sowie große bzw. kleine Durchschnittsfläche jüdischer Liegenschaften gekennzeichnet ; sie scheidet Musterkreise von Problemzonen der nationalsozialistischen Bodenpolitik. Die mit 20 Prozent Erklärungsrate zweitwichtigste Dimension ist durch die Gegensätze unter- bzw. überdurchschnittliches Erbhofpotenzial, niedrige bzw. hohe Erbhof- dichte, hohe bzw. niedrige Arisierungsquote sowie große Erbhöfe bzw. jüdische Großgrundbesitzungen geprägt ; sie unterscheidet Kreise mit bodenpolitischem Schwerpunkt auf „Arisierung“ oder Erbhofbildung (Abbildung 3.5).
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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