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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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192 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe den 130 Bewerbern konnte ich 30 Bauern und Landwirte feststellen, bei denen auf Grund ihres Namens begründeter Verdacht besteht, tschechischer, slowakischer und magyarischer Abstammung zu sein.“157 Dies widersprach dem Argument des Anwalts, die „Aufsiedlung“ der jüdischen Güter durch „deutsche Bauern“ diene dem „Schutz im Grenzland“. Hinter den vordergründigen Taktiken folgten der Anwalt der Kaufwerber/-in- nen wie die Vermögensverkehrsstelle unterschiedlichen Strategien im Hinblick auf das gemeinsame Ziel der „Arisierung“ des jüdischen Gutsbesitzes. Da die Rechts- grundlagen für die Tätigkeit der DAG in der Ostmark noch fehlten, herrschte hin- sichtlich der „Arisierung“ von Gutsbetrieben gewissermaßen ein Rechtsvakuum.158 Die Hast der Kaufwerber/-innen war offenbar getrieben von der Befürchtung, die DAG könnte ihnen den Besitz vor der Nase wegschnappen ; der federführende Anwalt wollte sich „nicht der Gefahr aussetzen […], daß die deutsche Ansiedler- gesellschaft [sic] den Gutsbesitz beschlagnahmt“.159 Die Vermögensverkehrsstelle befürwortete hingegen die Einschaltung der DAG ; sie stellte klar, dass „diese Pri- vatparzellierung ohne Berücksichtigung der notwendigen Siedlungsbedingungen nicht in Frage kommt“.160 Die in das Verfahren eingeschaltete Landesbauernschaft Donauland präsentierte sich in diesem Konflikt zwar grundsätzlich als Interes- senvertreterin der bäuerlichen Kaufwerber/-innen, vertrat aber aus pragmatischen Gründen den Standpunkt der Vermögensverkehrsstelle : „Die Beteiligten haben zwar die besten Absichten gehabt, jedoch ist die Finanzierungsform für ein Sied- lungsverfahren nicht möglich“ ; es sei „unverantwortlich […], wenn das ganze Ver- fahren noch in irgend einer Form gefördert wird“. Die DAG solle prüfen, ob sie in den Kaufvertrag einsteigen könne. Sollten die Bedingungen annehmbar sein, würde sie nach Einführung des Reichssiedlungsgesetzes in der Ostmark aufgrund ihres Vorkaufsrechts die beiden Güter erwerben ; andernfalls müsse der vorliegende Kaufvertrag abgelehnt und neu verhandelt werden.161 Bald darauf konnte die Vermögensverkehrsstelle die Verantwortung für den ins Stocken geratenen Fall abtreten. Aufgrund der Verordnung über den „Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom Dezember 1938 ging die Kompetenz für die land- und forstwirtschaftliche „Arisierung“ auf die Obere Siedlungsbehörde im Ministerium für Landwirtschaft über. Im Zuge eines Lokalaugenscheins in Drösing im Jän- ner 1939 handelten Vertreter des Landwirtschaftsministeriums, des Reichsnähr- standes, der DAG und der Kaufwerber/-innen eine Lösung des Problems aus. Im Sinn einer „möglichst schnelle[n] und reibungslose[n] Abwicklung“ des Verfah- rens wurde „festgestellt, daß der mit dem Ankaufe verfolgte Zweck nur erreicht werden kann, wenn nach Einführung des Reichssiedlungsgesetzes in der Ostmark die hiefür maßgeblichen Bestimmungen auch im Falle Drösing zur Anwendung gelangen“. Daher sei der Kaufvertrag abzulehnen, der bereits eingezahlte Teil des
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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