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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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197Verbäuerlichung durch „Entjudung in. Während dieser Zeit bemühten sie sich nicht nur um die Verbesserung der Bodenqualität  – etwa durch reichliche Düngung  –, sondern erhöhten auch ihren Viehstand entsprechend der erweiterten Nutzfläche. Dem Vorwurf der Überschul- dung begegneten sie mit dem Hinweis, dass die auf dem Hof lastende Hypothek einzig und allein der Finanzierung des Grundankaufs gedient hatte. In ideolo- gischer Hinsicht bestätigte Franz Rössler zwar seine frühere Zugehörigkeit zum katholischen Burschenbund, wies aber jede parteipolitische Betätigung von sich. Zudem wurde auf widersprüchliche Aussagen der Behörden  – der Grundverkehrs- kommission, die die Verkäufe im Juli 1938 genehmigte, der Vermögensverkehrs- stelle, die im Oktober 1938 eine Genehmigung für nicht notwendig hielt, und der Oberen Siedlungsbehörde, die die Kaufverträge im Oktober 1939 ablehnte  – auf- merksam gemacht und argumentiert, dass nach der „Arisierung“ des Gutes durch den Übergabevertrag die Genehmigung der Oberen Siedlungsbehörde nicht mehr erforderlich sei. Schließlich mutmaßten der und die Beschwerdeführer/-in über die Motive der Ablehnung : „Wir sind daher der Überzeugung, dass für die Abweisung kein öffentliches Interesse, sondern im Gegenteil bloß ein kleinliches Ortsinteresse maßgebend war, das uns die Vergrößerung unseres Erbhofes nicht gegönnt hat.“190 Kurz, die Beschwerde zog den ablehnenden Bescheid als Ausfluss einer örtlichen Intrige in Zweifel und behauptete die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und poli- tische Zuverlässigkeit des Bauern und der Bäuerin. Die Obere Siedlungsbehörde suchte die Beschwerde durch den Hinweis auf den Besitz eines 29 Hektar großen Erbhofs und „politische Bedenken“ gegen den und die Besitzer/-in zu entkräften ; überdies ermögliche die Ablehnung der Kauf- verträge ein Anlieger- oder Neusiedlungsverfahren durch die DAG.191 Der um Stellungnahme gebetene Kreisbauernführer hielt  – trotz der Korrektur der poli- tischen Beurteilung durch die NSDAP-Kreisleitung  – an seinen wirtschaftlichen Bedenken fest : „Es ist mir unerwünscht, wenn der in Wagram/D. befindliche ehe- malige jüdische Besitz durch Bauern und Landwirte der umliegenden Ortschaften erworben wird, da diese Grundstücke zusammen mit einigen heute noch vorhan- denen ehemals jüdischen Häusern für die Einsetzung von Neubauern bzw. Um- siedlern sehr geeignet sind.“192 Schützenhilfe erhielt er dabei vom Bürgermeister und Ortsbauernführer von Wagram an der Donau, der die strittigen Äcker für die „Ansiedlung deutscher, rassisch wertvoller Bauern“ reservieren wollte ; dabei be- diente er sich rassen- und siedlungspolitischer Argumente : „Daß eine Ansiedlung wertvoller Deutscher in der Gemeinde (Wagram/D. liegt im Grenzkreis und hieß früher Kroatisch-Wagram !) unbedingt notwendig ist, wird jeder bestätigen, der die Bevölkerungsschichtung dieser Gemeinde kennt.“ Nun wurde das, was bislang nur zwischen den Zeilen zu lesen war, offen ausgesprochen : Die Kaufabsichten des Ehepaares Rössler kollidierten mit der Bodenpolitik lokaler und regionaler
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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