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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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213Schollenbindung oder Parzellenhandel ? vom ersten Ehemann eingebracht worden, verblieb also in derselben „Sippe“ ; die Parzelle fiel wiederum an einen Erbhof ; der Hoferbe zeigte sich mit dem Vertrag einverstanden.240 Sogar Grundabtrennungen von einem, zwei oder mehr Hektar wurden genehmigt, sofern der Verlust erträglich schien oder die Parzelle einem anderen Erbhof zufiel.241 Falls jedoch das abzutrennende Grundstück die „Acker- nahrung“ gefährdete oder den Status als Erbhofland verlor, lehnte das Gericht den Antrag meist ab oder genehmigte ihn nur mit Auflagen.242 Im Allgemeinen legte das AEG Eggenburg Anträgen auf Grundabtrennungen im Zuge von Hofübergaben kaum Hindernisse in den Weg ; in besonderen Fällen beharrte es jedoch unbeirrbar auf dem Buchstaben des Gesetzes. 1939 beantragten Franz und Juliana Maurer den Verkauf von vier Hektar Wald von ihrem 23 Hektar großen Erbhof in Rafing an ihre körperbehinderten Kinder Franz und Anna. Die Parzelle sei 1937 mit dem Geld der Kinder angekauft worden ; daher solle das Grundstück die beiden für den ihren Eltern gewährten Kredit entschädigen. Ob- wohl der Kreisbauernführer Zustimmung signalisierte,243 versagte das AEG dem Antrag die Zustimmung. Der angebliche „Kaufvertrag“, so die Richter, sei tatsäch- lich ein Schenkungsvertrag zwischen Eltern und Kindern, weil das Waldstück mit den Erträgen des Hofes angekauft worden sei. Mehr noch, dahinter verberge sich eine Art „Sabotage“ am REG : „Die Bauern kauften aus den Ersparnissen Grundstücke an, um sich anlässlich der Übergabe des Hofes einen Teil der Grundstücke ‚zurückbehalten‘ zu können. Dieser Brauch ist dem Anerbengericht bekannt ; er herrschte vor Inkrafttreten des Reichs- erbhofgesetzes in der ganzen Gegend. Aus den auf dem Hofe gemachten Ersparnis- sen wurden Grundstücke angekauft. Bei Übergabe wurde ein Teil der Grundstücke  – es waren nicht immer die zugekauften  – von den Übergebern in ihrem Eigentum zurückgehalten und teils deren Erträgnisse als Zuschuß zu den Ausgedingsleistungen, teils die Grundstücke selbst entweder aus Anlaß des Ablebens der Übergeber oder auch schon früher einzeln an die Geschwister des Anerben an Stelle einer Ausstat- tung übertragen.“244 Damit eröffnete das Gericht einen Einblick in die alltäglichen Strategien  – den „Brauch“  – bäuerlicher Hofeigentümer/-innen im Feld des Grundbesitzes vor 1938, die von manchen wohl auch danach noch verfolgt wurden. Das Aufkau- fen, Zurückbehalten und spätere Verteilen von Parzellen an die Nachkommen of- fenbarte die regionale Gemengelage von Anerben- und Realteilungspraxis : Der Erbe oder die Erbin erhielt den Großteil des Grundbesitzes überschrieben ; die Geschwister gingen jedoch nicht leer aus, sondern wurden  – falls sie nicht finan- ziell abgefunden wurden  – mit kleineren Parzellen ausgestattet. Diese bäuerliche
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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