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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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220 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe Mit dem Übergang von den „Blitzkriegen“ der Deutschen Wehrmacht zum Ab- nützungskrieg 1941/42 geriet die mangelnde „Wirtschaftsfähigkeit“ der Erb hof- eigentümer/-innen mehr und mehr ins Visier des Reichsnährstandes. Kreis- und Landesbauernführer stellten vermehrt entsprechende Aberkennungsanträge, de- nen von den AEG immer öfter entsprochen wurde. Ein Grund für den verschärf- ten Kurs lag gewiss in der sich öffnenden Schere zwischen den vorgeschriebenen und den tatsächlich abgelieferten Mengen an Agrargütern ; darin äußerte sich die kriegsbedingte Mangelversorgung der (klein- und mittel-)bäuerlichen Betriebe mit Arbeitskräften und Betriebsmitteln. Zusätzlich angeheizt wurde das Vorgehen gegen „wirtschaftsunfähige“ Erbhofeigentümer/-innen durch die verschärfte „Er- zeugungsschlacht“ des Reichsnährstandes, die immer weniger Toleranz gegenüber mangelnden Ablieferungsleistungen zuließ.268 Spatschil sprach 1942 diesbezüglich Klartext : „Es ist daher nur dem Sinne eines nationalsozialistischen Gesetzeswerkes entspre- chend, daß die Anerbenbehörden in Erfüllung der ihnen gestellten Aufgaben nicht nur dabei mitzuwirken haben, daß dem einzelnen Bauer Haus und Hof erhalten bleibe, sondern auch dafür sorgen sollen, schlecht wirtschaftsführenden Bauern den Hof zu entziehen, denselben bewirtschaften zu lassen und auf diese Weise das Ziel einer leistungsfähigen Ernährungswirtschaft zu erreichen.“269 Der ernährungswirtschaftliche Pragmatismus der Reichsnährstandsführer und ih- rer Expertenstäbe hob das bauerntumsideologische Dogma von „Blut und Boden“ zwar nicht auf, vertagte es jedoch auf die Zeit nach dem in weitere Ferne gerückten „Endsieg“. Die Gewichtsverlagerung zu Ehrbarkeitsverfahren 1943/44 signalisierte eine verstärkte Ideologisierung der nationalsozialistischen Bodenpolitik vor Ort, die neben „wirtschaftsunfähigem“ immer öfter „unehrenhaftes“ Verhalten anprangerte. Diese Radikalisierung, die neben der Erbhofgerichtsbarkeit auch in anderen Fel- dern der NS-Herrschaft Platz griff, kennzeichnete die zum „Existenzkampf“ ge- gen den „Bolschewismus“ ausgerufene Endphase des Krieges.270 Dabei gerieten vor allem die großbäuerlichen Erbhöfe im AGB Tulln ins Fadenkreuz der Kreisbau- ernschaft. Der Tullnerfelder Großbauer stand im nationalsozialistischen Diskurs für den christlichsozialen „Bauernführer“, verkörpert durch ehemalige Funktionäre des verhassten „Ständestaates“ wie Landwirtschaftsminister, Landeshauptmann und Bauernbundobmann Josef Reither aus Langenrohr oder Bauernbunddirektor Leopold Figl aus Rust.271 Ob diese Projektion hier eine Rolle spielte, kann auf Basis der Erbhofgerichtsakten nicht geklärt werden. Jedenfalls kennzeichnete auf politische und wirtschaftliche Autonomie pochenden „Herrenbauern“ eine gestei-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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