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250 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe
Landressourcen. In Regionen mit arrondierten Flurformen, etwa der Einöd-
blockflur, stieß die Herauslösung einzelner Parzellen aus einer Besitzeinheit eher
auf materielle oder mentale Hindernisse als in Regionen mit Gemengelage, wo
Transfers auch kleinster Parzellen gang und gäbe waren. Die „Hofidee“, das Ideal
der geschlossenen, über die Generationen vererbten Besitzeinheit, hatte für die
Land besitzende Bevölkerung in gemischten Acker- und Weinbaugebieten we-
nig Realitätsgehalt ; folglich stieß hier, wie bereits gezeigt, das REG auf massive
Vorbehalte vonseiten der Hofeigentümer/-innen. Der flexible Umgang mit Land
in der Region Matzen äußerten sich im Extrem in der jahresweisen Stilllegung
ganzer Betriebe, die für Weinhauerfamilien und andere Kleingrundbesitzer/-innen
häufig nachweisbar ist. Im Normalfall förderten (Ver-)Käufe, (Ver-)Pachtungen
oder anderweitige Transfers einzelner Parzellen die regionale Bodenmobilität. An-
ders als in den Regionen Litschau und Melk, wo der außerlandwirtschaftliche Er-
werb – in ersterer eher Lohnarbeit, in letzterer eher selbstständig-gewerbliche Tä-
tigkeit – großes Gewicht hatte, bildete hier die Landwirtschaft meist das alleinige
Standbein : entweder als Haupterwerbsbetrieb, etwa für die Maschinenmänner und
Zuckerrübenbauern, oder als Teil der bäuerlichen Familienwirtschaft in Kombina-
tion mit außerhäuslicher Lohnarbeit im Acker- und Weinbau, etwa für die Acker-
bäuerinnen, Kleinbauern- und Weinhauerfamilien. Der landwirtschaftliche Fokus
mit starker Marktorientierung, der etwa Maschinenmänner und Zuckerrübenbauern,
aber auch alle Weinbau treibenden Kleinbetriebe kennzeichnete, sowie der mate-
rielle und mentale Wert von Weingarten- und Ackerparzellen als Grundsicherung
für Altenteiler und nicht erbende Nachkommen dürften
– trotz der Einschränkun-
gen des bodenpolitischen Regelwerks – den „Grundstücksverkehr“ in der Region
Matzen belebt haben.
Bislang haben wir uns auf Änderungen der bewirtschafteten Gesamtflächen
konzentriert ; für die (unter-)bäuerliche Betriebs- und Haushaltsführung war je-
doch ausschlaggebend, welcher Art das abgegebene oder hinzugewonnene Land
war : Acker, Grünland, Weingarten, Wald oder sonstiges Land ? So einfach diese
Frage anmutet, so schwierig ist sie zu beantworten. Die verfügbaren Aufzeich-
nungen verweisen nicht direkt auf die Arten der ab- oder aufgestockten Flächen,
sondern können nur indirekt, über betriebsinterne und -externe Kulturflächen-
transfers, erschlossen werden. Betriebsinterne Kulturflächentransfers umfassten
Umwidmungen von einer in einer anderen Kulturart, etwa von Acker- in Grün-
land, innerhalb eines Betriebes. Wurden hingegen Parzellen im Zuge von (Ver-)
Pachtung, (Ver-)Kauf oder anderen Transfers vom Betrieb abgetrennt oder dem
Betrieb angegliedert, handelte es sich um betriebsexterne Kulturflächentransfers.
Bei gegebener Fläche hingen vom Verhältnis der Kulturarten der notwendige
Aufwand an Arbeit und Kapital, aber auch der zu erwartende Ertrag – kurz, die
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937