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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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254 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe lagerung entsprach der nationalsozialistischen „Blut und Boden“-Ideologie, einer rassistischen und imperialistischen Übersteigerung antiliberalistischer und an- tisozialistischer Entwürfe einer alternativen Moderne seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Deren Wortführer wandten sich gegen die Vorstellung eines freien Bodenmarktes, aber auch gegen die Vergesellschaftung des Privateigentums. Der Boden sollte weder als Ware gehandelt, noch als Staatsbesitz verwaltet werden ; vielmehr wurde er als unter Staatsaufsicht gestelltes Erbe an eine bäuerliche „Sippe“ als Keimzelle des „deutschen Volkes“ gebunden. Dieser dritte, korporativistische Weg der Bodenordnung zwischen Liberalis- mus und Sozialismus wurde in der Ostmark bald nach dem „Anschluss“ durch ein umfassendes Regelwerk institutionell verankert. Das exklusive Regulativ der „Ari- sierung“ peilte die Umverteilung jüdischen Grundbesitzes zugunsten der „Neubil- dung deutschen Bauerntums“ an. Das inklusive Regulativ des Reichserbhofrechts und des nicht erbhofgebundenen Bodenrechts, einschließlich des Pächterschutzes, sollte durch die Genehmigungspflicht von Veräußerungen, Teilungen und Belas- tungen der kapitalistischen Verwertung von Grundbesitz einen Riegel vorschieben. Diese Regulative definierten den Zugang gesellschaftlicher Gruppen zu Grund- besitz nach „Rassen-“, Klassen- und Geschlechterzugehörigkeit um : Personen „nichtdeutscher Volkszugehörigkeit“, allen voran „Juden“, wurden vom Grundbe- sitz gänzlich ausgeschlossen ; Kleinbauernfamilien und Gutsbesitzer/-innen wur- den aus dem auf mittel- und großbäuerliche Höfe beschränkten Erbhofstatus aus- geklammert ; Frauen wurden gegenüber Männern in der Erbfolge erbhofrechtlich benachteiligt. Weder die inklusive noch die exklusive Seite der nationalsozialistischen Boden- ordnung wurden bis Kriegsende zur Gänze in die Alltagspraxis umgesetzt. Die vom Amt des Reichsstatthalters vorangetriebene „Verbäuerlichung“ durch „Arisie- rung“ blieb  – wie an der Umsiedlung der Bewohner/-innen des Truppenübungs- platzes Döllersheim gezeigt  – aufgrund bürokratischer Widersprüche im Anlauf stecken ; von den durchgeführten Fällen profitierte vor allem die Staatskasse. Das von der Erbhofgerichtsbarkeit angewandte Reichserbhofrecht stieß in der bäu- erlichen Bevölkerung vielfach auf Skepsis, Ablehnung und Protest, weil es  – vor allem in den Weinbaugebieten mit Realteilung im Osten des Reichsgaues  – bäuer- lichen Rechtsgewohnheiten im Umgang mit Grundbesitz widersprach. Zunächst suchten die Gerichte diese Widersprüche zwischen Norm und Praxis durch eine flexible Rechtssprechung zu entschärfen ; schließlich griff das NS-Regime sogar einige Reformvorschläge  – die Gütergemeinschaft der Ehegatten sowie die Auf- wertung der weiblichen gegenüber den männlichen Nachkommen in der Erb- folge  – auf. Zwar entkräfteten die Zugzwänge der Kriegsführung, die vor allem mit dem Übergang vom „Blitzkrieg“ zum Abnützungskrieg 1941/42 hervortraten, die
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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