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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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266 „Menschenökonomie“ unter Zwang Appeasement“47 des NS-Regimes das Massenvertrauen des „Landvolkes“ nach- haltig festigte. Immerhin vermochte es, vor dem Erfahrungshintergrund brüchi- ger Patron-Klient-Beziehungen und nachhinkender arbeits- und sozialrechtlicher Absicherung in den 1930er Jahren, wohlfahrtsstaatliche Erwartungshorizonte zu öffnen : „Der Hitler ist kema, wie a Hergot für die kloan Leit.“48 Der weniger ideokratische als technokratische Lösungsansatz Löhrs folgte der Linie, die sich im deutschen Raumforschungsdiskurs der späten 1930er, frühen 1940er Jahre durchgesetzt hatte. Mit dem Schwenk von der exemplarischen „Bau- erntums“- und Dorfforschung zur flächendeckenden, in großangelegten Enqueten organisierten „Landvolk“- und Regionalforschung band sich die Raumforschung als „Planungswissenschaft“ eng an den Staatsapparat.49 Etwa zeitgleich mit dem Reichsbauerntag 1938 fasste die 1935 gegründete Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumordnung (RAG) der deutschen Hochschulen unter machtbewusster Führung Konrad Meyers50 den Plan für eine umfassende Bestandsaufnahme der „ländli- chen Arbeitsverfassung“, die den Fokus auf die Landfluchtfrage richten sollte.51 Zunächst grenzt der Raumforschungsdiskurs das, was „Landflucht“ sei, von dem ab, was sie nicht sei : „Es ist dabei weniger die Abneigung gegen das Land oder gegen die Landarbeit an sich, die das Landvolk vom Lande treibt, ebensowenig wie es die Städte mit ihren Filmpalästen oder sonstigen Verlockungen sind, die den Menschen aus der Landwirtschaft fort und dann meistens in die Stadt ziehen.“ Dabei wird der „deutsche Bauer“, das zentrale Diskurssubjekt, vom Verdacht der „Landflüchtigkeit“ entlastet  – und darüber in seiner moralökonomischen Integri- tät legitimiert. Damit positioniert sich die Debatte  – konträr zum ideokratischen Appell des Reichsbauernführers am Reichsbauertag 1938  – auf einer (sozial-)tech- nokratischen Ebene. Das Schlagwort „Landflucht“ sei durch „Flucht aus der Land- wirtschaft“  – genauer, „Flucht der Unselbständigen im Landvolk“ im Allgemei- nen, „Ledigenflucht“ im Besonderen  – zu ersetzen. Damit fokussiert der Diskurs auf zwei als problematisch erachtete Subjekte : erstens jene Grundbesitzer/-innen (einschließlich der „Zwerg“-, „Kümmer“- und „Arbeiterbauern“), die „keine ausrei- chenden Lebensmöglichkeiten für sich und ihre Familie“ finden könnten ; zweitens jene Landarbeitskräfte, denen bislang keine „Möglichkeit zu angemessener Fami- liengründung, geschweige denn zu einer normalen beruflichen Weiterentwick- lung“ geboten worden sei. Weniger die mentale Stimmung, als die soziale Lage der „Landflüchtigen“ bilde die wesentliche Triebkraft des Übels. Dies sei wiederum Ausdruck der „seit langem bestehenden und daher nur langsam zu beseitigenden Unterbewertung der Arbeit in der Landwirtschaft“ gegenüber den anderen Wirt- schaftszweigen.52 Entsprechend der Eigendefinition als Planungswissenschaft im Dienst des NS- Staates erörtert der Raumplanungsdiskurs zur Landfluchtfrage nicht nur Ursachen
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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