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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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274 „Menschenökonomie“ unter Zwang „Landwirtschaftsflucht“ nicht  – wie in der auf die ostelbische Gutswirtschaft fo- kussierten Debatte der 1890er Jahre  – auf ein einzelnes Agrarsystem zurückfüh- ren. Alles in allem lassen sich zwei Profile von aus der Land- und Forstwirtschaft abwandernden Arbeitskräften erkennen : erstens teils im Gesindestatus, teils als Lohnarbeiter ständig beschäftigte familienfremde Arbeitskräfte in Mittel- und Großbetrieben, die kaum über berufliche und familiäre Aufstiegschancen verfüg- ten und sich der Saisonalisierung der Beschäftigungsverhältnisse aufgrund zu- nehmender Mechanisierung ausgesetzt sahen ; zweitens Angehörige kleinerer, oft agrarisch-industriellen Erwerb kombinierender Familienwirtschaften, welche die bäuerliche Selbstausbeutung gegen attraktivere Arbeits- und Lebensbedingungen als Lohnabhängige im Industrie- und Dienstleistungsbereich einzutauschen trach- teten.74 Sowohl auf Gau- als auch auf Reichsebene lässt sich das Landfluchtproblem in der Ostmark im Allgemeinen, in Niederdonau im Besonderen mittels der amtli- chen Statistik entzaubern. Wie aber geht dies mit den offenkundig dazu in Wider- spruch stehenden Ergebnissen der ministeriellen Erhebung zur „Landwirtschafts- flucht“ in der Landesbauernschaft Donauland zusammen ? In den 1930er Jahren wurde eine deutliche Zunahme der Beschäftigten in der Land- und Forstwirt- schaft verzeichnet. Zwischen 1902 und 1930 verringerten sich auf dem Gebiet der Republik Österreich die Zahlen der Betriebsleiter/-innen und des familienfremden Gesindes um 18 bzw. 28 Prozent ; demgegenüber stieg die Zahl der mithelfenden Familienangehörigen um 47 Prozent, also um knapp die Hälfte. Neben dem Weg- fall der dreijährigen Militärdienstzeit der männlichen Familienangehörigen trie- ben die Industrie- und Gewerbekrise der 1930er Jahre sowie die Bestrebungen der christlichsozialen Agrarpolitik, die Zahl der ausländischen Saisonarbeiter/-innen zurückzudrängen und ehemalige Landarbeiter/-innen aus dem Inland wieder der Landwirtschaft zuzuführen, diese Entwicklung an. Angesichts der tristen Aussich- ten auf dem industriell-gewerblichen Arbeitsmarkt verblieben mehr Bauernsöhne und -töchter auf den elterlichen Höfen ; zudem suchten Lohnabhängige aus Indus- trie und Gewerbe, um der Massenarbeitslosigkeit zu entgehen, Beschäftigung in der Land- und Forstwirtschaft oder betrieben agrarische Selbstversorgung.75 Wie der Vergleich der land- und forstwirtschaftlichen Wohnbevölkerung 1934 und 1939 zeigt, fand der Zug zu agrarischen Beschäftigungen bis zum „Anschluss“ eine Fortsetzung. Erst danach setzte eine massive Abwanderung oder, genauer, Rück- wanderung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte in den durch die Rüstungskonjunk- tur angeheizten Industrie- und Gewerbesektor ein. Obwohl die „Landwirtschafts- flucht“ laut ministerieller Erhebung zwischen Jänner 1938 und Jänner 1939 knapp fast ein Zehntel der Landarbeitskräfte erfasst hatte, übertraf die Häufigkeit der Agrarbevölkerung auf dem Gebiet Niederdonaus im Mai 1939 noch immer deren
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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