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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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302 „Menschenökonomie“ unter Zwang Verliefen die Linien im Konflikt um die Sonntagsarbeit zwischen Dienstgeber/- innen und Bediensteten, so fanden sich in der Auseinandersetzung um die Ein- haltung der Feiertage häufig beide auf derselben Seite wieder. Für 1942 mehren sich die Berichte, dass die Einhaltung der „Bauernfeiertage“, der nicht gesetzlich anerkannten Feiertage des katholischen Kirchenjahres, aufseiten der nichtbäuerli- chen Bevölkerung Kritik hervorgerufen habe. Ironisch wies der Landrat Melk im Mai 1942 darauf hin, „dass nach Ansicht der Bevölkerung der Mangel an Arbeits- kräften nicht so arg sein könne, da die Bauern jeden Bauernfeiertag feiern und an diesen Tagen sowohl die Kriegsgefangenen als auch die ausländischen Arbeiter mitfeiern lassen“.162 Nicht nur Inländer/-innen, sondern auch innerhalb und au- ßerhalb der Landwirtschaft eingesetzte Ausländer/-innen hätten dagegen Wider- spruch erhoben : „In den einen Betrieben feiern die Arbeiter, in den anderen müssen sie arbeiten. Die feiernden Arbeiter kommen dann auf Besuch und halten auch noch die anderen von der Arbeit auf. Jene, die arbeiten müssen, sind dann an solchen Tagen arbeitsunwillig und es kommt zu Reibereien.“163 Diese Allianz in- und ausländischer Arbeitskräfte verweist auf eine Reibungsfläche zwischen bäuerlichem Milieu und nationalsozialistischer Herrschaft. Der arbeits- freie Kirchenfeiertag mit dem gemeinsamen Messbesuch von Familienangehöri- gen und Gesinde gehörte, über seine religiöse Bedeutung hinaus, zur bäuerlichen Inszenierung häuslicher Herrschaft ; er war aber auch Teil der moralökonomi- schen Ansprüche der Dienstboten und Dienstbotinnen auf ‚gerechte‘ Arbeits- zeit. Dieses paternalistische Deutungs- und Handlungsmuster, das die „Ehre“ der Dienstgeber/-innen wie die Arbeitsmoral der Bediensteten stärkte, schloss fall- weise auch ausländische Arbeitskräfte ein.164 Das NS-Regime hingegen trachtete danach, die religiös unterfütterte Hegemonie des bäuerlich-katholischen Milieus aufzubrechen ; daher erschien aus behördlicher Sicht die Einhaltung katholischer Feiertage vielfach als oppositioneller Akt165  – dies umso mehr, als dadurch die ras- sistisch motivierte Ausgrenzung der „Fremdvölkischen“ unterlaufen wurde. Die Formel vom „Arbeitseinsatz“ bezog sich auf ein komplexes Bündel von Be- ziehungen zwischen den Menschen auf den Höfen. Die Ressourcen der Arbeiten- den  – Gesundheit und Wohlbefinden, Kraft und Ausdauer, Wissen und Können, Verlässlichkeit und Motivation  – vollständig in den Dienst der deutschen Kriegs- wirtschaft zu stellen, bildete das Leitmotiv des „Arbeitseinsatzes“ im Allgemei- nen, des Einsatzes der Ausländer/-innen im Besonderen : „Die Arbeitskraft dieser Leute muß in größtem Maße ausgenutzt werden“,166 lautete die programmatische Vorgabe des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom April 1942 be-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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