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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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303 Arbeit als alltägliches Kräftefeld züglich der Kriegsgefangenen und ausländischen Zivilarbeiter/-innen. Doch das Maß, in dem die Arbeitskraft der Ausländer/-innen praktischen Nutzen erzielte, wurde letztlich nicht durch Verordnungen aus den Verwaltungszentralen, sondern vor Ort entschieden. Damit Arbeitende produzieren können, müssen sie sich somit in ausreichender Weise reproduzieren können ; die nachhaltige Verausgabung von Arbeitskraft ist daher an die Wiederherstellung der Ressourcen der Arbeitenden gebunden. Die in der Literatur häufig getroffene Feststellung, dass das „rasseideo- logische Bild vom ‚Untermenschen‘ auf dem Land nicht so stark verankert war, wie sich die NS-Ideologen dies wünschten“,167 ist weniger aus religiösen Orien- tierungen, als vielmehr aus der wechselseitigen Abhängigkeit von Produktion und Reproduktion versteh- und erklärbar. Eine notwendige Voraussetzung für die Leistungen der Ausländer/-innen stellten Gesundheit und Wohlbefinden dar. In den Äußerungen der Behörden wurden diese Ressourcen vor allem dann zu einem Thema, wenn sie nicht in aus- reichendem Maß gegeben waren. Das war vor allem bei jenen Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter/-innen aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion der Fall, die im Frühjahr 1942 in der Landwirtschaft zum Einsatz kamen. Bereits im April 1942 berichtete der GP Seitenstetten von der Unzufriedenheit der Bauern darü- ber, dass die sowjetischen Zivilarbeitskräfte „körperlich noch sehr herabgekom- men sind“.168 Im Juli 1942 war sogar vom Einsatz 13- und 14-jähriger Burschen aus der Sowjetunion die Rede, „die in vollkommen unterernährtem Zustand zum Einsatz gelangen. Es ist daher die Folge, dass sie die von ihnen geforderten Ar- beiten kaum oder gar nicht bewältigen können.“169 Die Arbeitskraft der ausländi- schen Zivilarbeiter/-innen schien meist wiederherstellbar, wie im Oktober 1942 aus St.  Valentin gemeldet wurde : Die „Ostarbeiter“, besonders die Frauen, hätten „durchwegs an Körpergewicht stark zugenommen  – ein Beweis, dass sie mehr und bessere Nahrung erhalten als in ihrer Heimat“.170 Dagegen überlebten zahlreiche der in den Wehrmachtslagern über den Winter 1941/42 ausgehungerte sowjeti- sche Kriegsgefangene den Einsatz in der Landwirtschaft nicht : „Allerdings war ein Teil der zugewiesenen Kriegsgefangenen noch immer so unterernährt, dass er den schweren landwirtschaftlichen Arbeiten nicht gewachsen war und auch einzelne Kriegsgefangene nach dem Einsatz gestorben sind.“171 Die Lösungsvorschläge von Amtsträgern in den unteren und mittleren Dienststellen maßen den Wert der im „Arbeitseinsatz“ stehenden Menschen ausschließlich an ihrer Leistungsfähigkeit. Unter den sowjetischen Arbeitskräften seien, so der Landrat Waidhofen an der Thaya im Mai 1942, „einige arbeitsunfähige und schwerkranke Russen dabei, die bei nächster Gelegenheit wieder zurücktransportiert werden müssen“. Die Lösung dieses Problems liege in einer „genaueren Durchschleusung“ ; dadurch würde „viel Ärger erspart werden, da der Rücktransport lange auf sich warten lässt und die
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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