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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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317 Arbeit als alltägliches Kräftefeld angewachsene Kontingent bestätigte.216 Auf Veranlassung des Reichsstatthalters Niederdonau vom Juli 1944 wurden die Landräte zur Vorlage eigener Erfahrungs- berichte über den „Arbeitseinsatz von Juden“ aufgefordert, die in ihrer Gesamtheit ein variantenreiches Bild zeichnen. Die erste Rückmeldung, der Bericht des Land- rats Baden vom August 1944, enthält präzise Einschätzungen der „Leistungsfähig- keit“ der ungarisch-jüdischen Arbeitskräfte. Von den 109 in der Gutsverwaltung Drasche-Wartinberg in Ebreichsdorf eingesetzten Jüdinnen und Juden galten 53 als „einsatzfähig“, die übrigen wegen ihres Alters, ihrer Jugend oder Krankheiten als „nicht einsatzfähig“. Die Arbeitsfähigen seien zwar „willig, jedoch infolge der ungewohnten Beschäftigung minder einsatzfähig. Ihre Arbeitsleistung kommt un- gefähr 25 % der eines Ostarbeiters gleich.“ Die 68 Jüdinnen und Juden der Eszter- házyschen Gutsverwaltung in Pottendorf, von denen 26 altersbedingt arbeitsunfä- hig seien, arbeiteten laut Aussage des Betriebsführers „zufriedenstellend“. Über die zur Beseitigung von Hochwasserschäden in Weissenbach an der Triesting und Al- tenmarkt an der Triesting eingesetzten Arbeitskräfte heißt es : „Bei entsprechender Beaufsichtigung zeigten sie im Allgemeinen keinen Arbeitsunwillen, doch war die Leistung äußerst gering.“ Und : „Mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Juden nicht gewohnt sind, schwere körperliche Arbeit zu verrichten, kann ihre Arbeits- leistung als befriedigend bezeichnet werden. Anstände haben sich nicht ergeben.“ Den 49 in der Landwirtschaft und Gärtnerei des Stiftes Heiligenkreuz eingesetz- ten Jüdinnen und Juden wird bei „ununterbrochener Aufsicht“ eine „verhältnis- mäßig geringe Leistung“ bescheinigt, die etwa ein Drittel jener eines deutschen Arbeiters betrage.217 Im Spektrum zwischen Anerkennung und Disqualifizierung bewegten sich auch die eingehenden Urteile der übrigen Landräte.218 Willig, aber überfordert  – so lässt sich, grob gesprochen, das Bild beschreiben, das in den Landratsberichten über die Arbeitsleistungen der „ungarischen Juden“ in der Land- und Forstwirtschaft vorherrscht. Diese zeitgenössische Beschreibung der Beobachter korrespondiert zum Teil mit den nachträglichen Beschreibungen der Beobachteten. Die Angehörigen der nach Niederdonau deportierten unga- risch-jüdischen Familien deuten die Arbeit in den Wäldern und auf den Feldern im Kontrast zur möglichen Deportation nach Auschwitz vielfach als das gerin- gere Übel.219 Trotz mangelnder Kraft und Ausdauer, Kenntnisse und Fertigkeiten schienen fast alle  – auch jene, die für die land- und forstwirtschaftliche Arbeit zu alt, zu jung oder zu krank waren  – bemüht, den Anforderungen bestmöglich zu entsprechen. Doch das Bild, das die Beobachter vor Ort und, über deren Ver- mittlung, die Landräte entwerfen, enthält neben realen Beschreibungen auch imaginäre  – hier : antisemitische  – Zuschreibungen. Der Landrat Amstetten etwa illustriert die „denkbar schlechten“ Erfahrungen folgendermaßen : „Diese Jammer- gestalten, die morgens und abends durch die Straßen ziehen, erregen bei der Be-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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