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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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328 „Menschenökonomie“ unter Zwang kräfte. Nach der Reichstarifordnung vom Juni 1944 lagen die Sätze für Polen ohne Leistungszulagen um 35 bis 51 Prozent und für Polinnen um 24 bis 42 Prozent unter jenen inländischer Normal-Arbeitskräfte ; mit der höchsten Leistungszu- lage verminderten sich diese Unterschiede auf 17 bis 37 Prozent bei Männern und 9 bis 31 Prozent bei Frauen. Diesen Ergebnissen zufolge verringerten sich zwischen dem ersten und fünften Kriegsjahr die Abstände zwischen den gesetz- lichen Bruttolöhnen inländischer und polnischer Landarbeiter/-innen, vor allem unter den qualifizierten Arbeitskräften. Zugleich verkleinerten sich auch die Ab- stände zwischen den Bruttolöhnen polnischer Männer und Frauen von 36 Prozent 1940 auf 21 Prozent, im Fall der höchsten Leistungszulage sogar auf 17 Prozent, 1944. Ähnliche Tendenzen zeigt die Entlohnung der „Ostarbeiter“ zwischen 1941 und 1943. Innerhalb der Entgelte der Kriegsgefangenen nahmen die  – allerdings nach wie vor beträchtlichen  – Lohnabstände zwischen Sowjetbürgern, Polen und Gefangenen anderer Nationen ab. Diese Tendenzen einer merklichen, wenn auch beschränkten Angleichung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass rassen- und geschlechterspezifische Lohnunterschiede in der Landwirtschaft  – abgesehen von der praktisch nicht mehr wirksamen Lohnangleichung von in- und ausländischen Arbeiter/-innen im März 1945  – während der gesamten Kriegsdauer in Kraft blie- ben. Sie erscheinen als Ausdruck der Strategie von Militär- und Zivilverwaltung, die leistungshemmenden Zumutungen des zwangsweisen „Ausländereinsatzes“ durch leistungsfördernde Anreize zu ergänzen. Inwieweit die gesetzlichen Normen auch in der Alltagspraxis griffen, ist damit freilich noch nicht gesagt ; hier öffneten sich erhebliche Manövrierräume. Wenn in den behördlichen Berichten die Frage der Entlohnung zur Sprache kam, dann fast ausschließlich im Zusammenhang mit Unstimmigkeiten. Bereits mit dem „Polen- einsatz“ im Winter 1939/40 setzte eine Debatte um die von der Reichstariford- nung vom Jänner 1940 festgesetzten, gegenüber den ortsüblichen Löhnen erheb- lich niedrigeren Sätze ein. Besonders dramatisch schildert der GP Göpfritz an der Wild im Februar 1940 die „fortwährenden Geldforderungen“ der polnischen Arbeitskräfte : „Die Leute wollen absolut nicht glauben, dass sie um den von der Kreisbauernschaft festgesetzten Lohn arbeiten müssen und sind der Meinung, dass diese Löhne von den einzelnen Ortsbauernführern ausgemacht wurden.“ Dagegen wünschten die Betriebsinhaber/-innen, „dass von der Kreisbauernschaft endlich einmal jemand herunterkommt und die Besitzer mit ihren poln. Arbeitern an ei- nem Ort zusammenruft und die Arbeiter über ihre Pflichten und Rechte entspre- chend belehrt“.259 Während die polnischen Arbeitskräfte die freie Vereinbarkeit der Lohnhöhe einforderten, beriefen sich die Ortsbauernführer und ihre Klientel auf die Autorität der Kreisbauernschaft. Der Wunsch, ein Vertreter der Kreisbau- ernschaft  – und nicht der Ortsbauernführer selbst  – solle den „Polen“ die Lohn-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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