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329Gerechter
Lohn oder Ausbeutung ?
bestimmungen erläutern, wird vor dem Hintergrund des alltäglichen Zwangs zur
Kooperation der In- und Ausländer/-innen vor Ort verständlich. Auf diese Weise
ließ sich die Verantwortung für diskriminierende Maßnahmen von der eigenen
Person auf eine andere abschieben.
Mit dem Masseneinsatz der „Ostarbeiter“ im Frühjahr 1942 erhielt auch die
Debatte um die Lohnhöhe neue Nahrung. Nun traten die lohnpolitischen Dis-
kriminierungen nicht nur zwischen in- und ausländischen Arbeitskräften, son-
dern auch innerhalb der Gruppe der Ausländer/-innen ins Bewusstsein. Nach
dem Bericht des Landrats Zwettl vom Oktober 1942 „haben sich bei den aus-
ländischen Arbeitern aus dem Generalgouvernement und den übrigen Ostgebie-
ten Differenzen mit den Arbeitgebern ergeben infolge Unzufriedenheit über die
verschiedenartigen Lohntarife bei gleichen Arbeitsbedingungen“.260 Vor allem die
unterschiedliche Handhabung der Leistungszulagen führte zur Missstimmungen
unter den „Ostarbeitern“, wie der GP Euratsfeld im August 1942 berichtet : „Da-
durch kommen diese Arbeiter auf 20 Reichsmark Barlohn im Monat. Die an-
deren Russen, die diese Zulage nicht bekommen, sind nun unzufrieden und es
ergeben sich Beschwerden, warum der eine Russe anders entlohnt wird als der
andere, so dass ständig vermittelt werden muss. Die Abschaffung der Leistungs-
zulage wäre angezeigt.“261 Doch nicht nur vonseiten der Bediensteten, sondern
auch der Dienstgeber/-innen kam es, so der Landrat St. Pölten im Juli 1942, zu
„Unstimmigkeiten, da die Polen und Ukrainer einen höheren Lohntarif haben als
die Zivilrussen, obgleich letztere ja auch zum größeren Teile ukrainischer Volks-
zugehörigkeit sind. Schon diese Tatsache allein löst unter der Bevölkerung eine
Kritik dahin aus, dass die verfolgte Lohnpolitik nicht gerecht ist.“262 Solange die
„Polen“ die einzige nennenswerte Kategorie der Zivilarbeiter/-innen in der Land-
wirtschaft darstellten, äußerten Dienstgeber/-innen kaum Bedenken wegen deren
Diskriminierung. Mit dem Einsatz einer zweiten, erheblich schlechter gestellten
Kategorie der Zivilarbeiter/-innen nahm die lohnpolitische Debatte eine entschei-
dende Wendung : Die amtliche Lohnhierarchie wurde nicht mehr allein von den
„Fremdvölkischen“, sondern bereits auch vom eigenen „Landvolk“ infrage gestellt.
Der von den Behörden verbalisierte Unmut verweist auf das Denkmuster ei-
ner ‚gerechten Benachteiligung‘ der Ausländer/-innen : Wenn auch den „Fremd-
arbeitern“ weniger Lohn als den deutschen Arbeitskräften zugestanden wurde,
dann sollte diese Diskriminierung für alle Nationalitäten in gleichem Maß
gelten. Nicht die diskriminierende Lohnhierarchie an sich, sondern die „Son-
derbehandlung der Polen und Ostarbeiter“ stieß, so der Landrat Hollabrunn
im September 1942, auf „wenig Verständnis“.263 Die zwangsläufigen Unstim-
migkeiten zwischen mehr und weniger diskriminierten Gruppen ausländischer
Landarbeiter/-innen gefährdeten Ruhe und Ordnung auf dem Hof. Die Proble-
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937