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336 „Menschenökonomie“ unter Zwang
nen oder Handwerker ; nur im Frühjahr 1945, als auch der Osten Niederdonaus vom
Kampfgeschehen erfasst wurde, blieben die slowakischen Saisonarbeiter/-innen aus.
Aufgrund des saisonal unterschiedlichen Arbeitskräftebedarfs variierten auch die
Barlohnzahlungen des Betriebes an die ständigen und nichtständigen Arbeitskräfte
(Abbildung 4.15). Jahr für Jahr zeichnete sich ein und dasselbe Muster ab : Zusätz-
lich zu den monatlich anfallenden Dienstbotenlöhnen wurden von Mai bis Novem-
ber die Löhne der Saisonarbeiter/-innen und Taglöhner/-innen fällig. Langsam,
aber beständig, veränderten sich jedoch die Relationen zwischen den Leistungen
der Dienstboten und den Gegenleistungen der Dienstgeber/-innen (Tabelle 4.10).
Im Wirtschaftsjahr 1940/41 lag der durchschnittliche Bartaglohn bei 1,24 Reichs-
mark ; dieser Wert stieg in den folgenden Wirtschaftsjahren auf 1,40 und 1,42
Reichsmark. 1943/44 war jedoch ein Einbruch auf 1,09 Reichsmark zu verzeichnen,
der, gemessen am Wert für 1940/41, einen Rückgang um 27 Prozentpunkte dar-
stellte. 1944/45 überschritt der durchschnittliche Bartaglohn von 1,33 Reichsmarkt
bereits wieder knapp den Ausgangswert von 1940/41. Die Steigerungen der durch-
schnittlichen Bartaglöhne der Wirtschaftsjahre 1941/42, 1942/43 und 1944/45, die
aus der kriegsbedingten Arbeitskräfteknappheit erklärbar sind, lagen im Trend.285
Der Einbruch der Barlohnausgaben des Hofes im Wirtschaftsjahr 1943/44 ist hin-
gegen erklärungsbedürftig. Wie die detailliert geführten Arbeitsberichte des Betrie-
bes zeigen, gingen zwischen Juli 1943 und Juni 1944 die sinkenden Aufwendungen
für die Dienstbotenlöhne mit einer beträchtlichen Ausweitung der geleisteten Ar-
beitstage einher. Die Senkung der durchschnittlichen Bartaglöhne ging vor allem
auf den Wechsel in der Belegschaft des Betriebes im Sommer 1943 zurück. Nach
dem Ausscheiden eines inländischen Knechtes wurden zwei ausländische Arbeits-
kräfte – ein serbischer Kriegsgefangener und eine „Ostarbeiterin“ – eingestellt. Die
Belegschaft des Betriebes veränderte sich dadurch hinsichtlich Größe und Zu-
sammensetzung.286 Anstatt fünf waren nun sechs Dienstboten beschäftigt ; zudem
stiegen die Relationen von Frauen zu Männern von 1 zu 4 auf 2 zu 4 sowie von
ausländischen zu inländischen Bediensteten von 2 zu 3 auf 4 zu 2.287 Die Arbeitsbe-
ziehungen änderten sich aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ, wie die
damalige Bauerntochter erzählt : Die Gefangenen seien jeden Morgen vom Orts-
gefängnis geholt und jeden Abend dorthin zurückgebracht worden ; mit ihnen habe
sie kaum Kontakt gehabt. Mit der „Ostarbeiterin“ habe sie sich kaum verständigen
können ; diese sei vom Bauern, der ein wenig Slowakisch konnte, zur Stallarbeit
eingeteilt worden. Hingegen sei ihr die bereits seit 1940 im Betrieb beschäftigte
Polin, die nach kurzer Zeit – „in vierzehn Tagen“ – Deutsch sprechen konnte, nahe
gestanden ; die beiden jungen Frauen hätten fast ständig gemeinsam gearbeitet. Die
neue, der deutschen Sprache nicht mächtige „Ostarbeiterin“ und die täglich zwi-
schen Lager und Betrieb pendelnden Kriegsgefangenen hatten geringere Chancen,
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937