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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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339Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? sche Juden“, beschäftigten, nicht auch von deren Arbeitsleistung profitiert hätten. Zwar zeigt sich in Einzelfällen, dass ‚teurere‘ Ausländer/-innen, etwa slowakische Wanderarbeiter/-innen, gegen ‚billigere‘, etwa IMI, ersetzt wurden.292 In der Mehr- zahl der Fälle bestanden jedoch solche Wahlmöglichkeiten nicht  – man stellte jene Arbeitskräfte ein, die momentan verfügbar waren. Angesichts der kriegsbedingten Verknappung der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitskräfte war die Frage, ob ein Bauern- oder Gutsbetrieb die anfallenden Arbeiten bewältigte, existenzieller als die Frage, wer diese Arbeit durchführte. Vor diesem Hintergrund brachte die Leistung jeder und jedes einzelnen der Zivilarbeiter/-innen, Kriegsgefangenen und „ungarischen Juden“ in der Land- und Forstwirtschaft beträchtlichen Nutzen für Betriebe, Kommunen und den Staat im Besonderen sowie für die Gesellschaft des Deutschen Reiches im Allgemeinen. Was unsere auf den Geldlohnanteil fokussierte Kalkulation bisher außer Acht gelassen hat, ist der Naturallohnanteil der Entlohnung ; davon bildete neben Un- terkunft und Bekleidung die Ernährung den überlebenswichtigsten Teil. Die gän- gige These, dass ausländische Arbeitskräfte in der Landwirtschaft im Vergleich zu jenen in Bergbau und Industrie bessere Arbeits- und Lebensbedingungen vorge- funden hätten, wird einerseits mit der Quantität und Qualität der Ernährung be- gründet.293 Andererseits findet sie eine Begründung im Essen am gemeinsamen Tisch oder aus der gemeinsamen Schüssel, womit Hierarchien zwischen den In- und Ausländer/-innen aufgeweicht oder sogar nivelliert worden seien.294 Die Trif- tigkeit dieser These lässt sich nur im Kontext der vor Kriegsbeginn herrschenden Ernährungsverhältnisse im ländlichen Österreich prüfen : Entsprechend der infor- mellen Arbeitsmoral galt noch bis in die 1930er Jahre die Grundversorgung  – Ver- pflegung, Unterkunft und Bekleidung  – als Lohnbestandteil des bäuerlichen Ge- sindes und, in eingeschränktem Maß, auch der Taglöhner/-innen.295 Dagegen war die Ernährung der in- und ausländischen Saisonarbeiter/-innen in den großbäuer- lichen und Gutsbetrieben bereits in hohem Maß durch Verträge formalisiert.296 In diesem Spannungsbereich zwischen informeller und formeller Regelung bewegte sich auch die Ernährung ausländischer Landarbeitskräfte ; sie unterschied sich vor allem danach, ob die Verpflegung im Lager oder im Haushalt der Dienstgeber/- innen erfolgte. Für die in Lagerverpflegung stehenden Arbeitskräfte galten von den zustän- digen Behörden festgelegte Richtsätze.297 Gemäß der Anordnung des Oberkom- mandos des Heeres vom Jänner 1941 erhielten auch in der Landwirtschaft ein- gesetzte Kriegsgefangene nur zwei Drittel der ausländischen Zivilarbeiter/-innen zustehenden Verpflegungssätze.298 Der den Bestimmungen der Genfer Konvention zuwiderlaufende Einsatz von Kriegsgefangenen in der Rüstungsindustrie hatte un- terschiedliche Verpflegungssätze für die Land- und Industriearbeiter/-innen zur
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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