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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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354 „Menschenökonomie“ unter Zwang Es liegt nahe, die Entfamilisierung der betrieblichen Arbeitskräftebasis mit den zunehmenden Einrückungen von männlichen Familienangehörigen zur Deut- schen Wehrmacht in Verbindung zu bringen. Da die Kleinbetriebslisten und Hof- karten nur ausnahmsweise direkte Hinweise auf Militärdienstleistungen enthalten, sind wir in der Regel auf den indirekten Weg über die Geschlechtszugehörigkeit der Familienarbeitskräfte angewiesen. Doch die Kleinbetriebslisten erlauben da- rauf keine Rückschlüsse ; daher beschränken wir diese Auswertung auf die 932 durch Hofkarten dokumentierten Betriebe. Durch den Wegfall der Kleinbetriebe müssen wir die Arbeiter- und Weinhauerfamilien wegen fehlender oder zu gerin- ger Fallzahlen ausklammern. Unter diesen Einschränkungen kann der vermutete Zusammenhang von Entfamilisierung und Militärdienstleistung erhärtet werden (Tabelle 4.16) : Alles in allem verringerte sich 1942 das betriebliche Arbeitskraft- potenzial von 1941 durch den Abgang männlicher Familienangehöriger erheblich ; der Gesamtsaldo wurde durch den Zugang von Frauen etwas gemildert, bleib aber deutlich im Minus. Zwar konnte 1943 der Frauenzuwachs das Ausscheiden von Männern aus den Betrieben ausgleichen. Doch 1944 überwog wiederum der Ab- zug männlicher den Zuzug weiblicher Familienangehöriger. Nach Agrarsystemen und Regionen betrachtet, setzte sich in der Regel, von wenigen Ausnahmen abge- sehen, die Gewichtsverlagerung in den Bauernfamilien von Männern zu Frauen fort. Während der männliche Exodus auf die 1941 massiven, 1942 etwas gemilderten und 1944 abermals verschärften Einziehungen zur Deutschen Wehrmacht bezo- gen werden kann, gibt der weibliche Zuzug in die Bauernfamilien einige Rätsel auf. Zwar kann nur vermutet werden, woher die weiblichen Familienangehöri- gen kamen ; so ist im Fall der Gewerbebauern der Wechsel vom Gewerbe- in den Landwirtschaftsbetrieb und retour wahrscheinlich. Doch legen die beachtlichen Zuwächse von zur Familie gehörigen Frauen die flexible Mobilisierung von Ar- beitskraftreserven über Verwandtschaftsnetzwerke nahe. Folglich waren Bluts- verwandtschafts- und Schwägerschaftsbeziehungen für Bauernfamilien überaus wertvolle Ressourcen, über die, je nach aktueller Notwendigkeit, vorzugsweise weibliche Arbeitskraft aus dem Betrieb ausgelagert oder einbezogen wurde. Frauen aus der engeren Verwandtschaft wurden als flexible „Schlüsselvariable“337 bäuer- lichen Wirtschaftens unter prekären Bedingungen mobilisiert. Das Sozialkapi- tal der (weiblichen) Verwandtschaft erleichterte wesentlich die Bewältigung der Arbeitsanforderungen, die während der Kriegszeit auf den Schultern der „Land- frauen“  – vor allem der Bäuerinnen in Leitungsfunktion  – lasteten.338
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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