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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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389„Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? Gemeinden verliert sie wegen der unterschiedlichen Bodennutzungsintensitäten der Agrarsysteme an Aussagekraft. Die Entscheidung zur Antragstellung war nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich gestreut ; damit rückt die Diffusion der Antragsentscheidung in der länd- lichen Gesellschaft in den Fokus. Gemäß dem Diffusionsmodell wird die Ent- scheidung zur Übernahme einer neuen Denk- oder Handlungsweise  – die An- schaffung einer Maschine, die Antragstellung um eine Förderung, die Akzeptanz einer Einstellung usw.  – über interpersonale Beziehungen Schritt für Schritt weiter vermittelt ; auf diese Weise verbreitet sie sich ‚epidemisch‘ innerhalb eines Per- sonennetzwerks.51 Die Verbreitung nimmt einen charakteristischen Verlauf : Zu- nächst übernehmen nur wenige innovative, aufgrund ihres überdurchschnittlichen Besitz- und Bildungsstandes risikofreudige Akteure (innovators, etwa 2,5 Prozent) die Neuerung ; über die direkten (early adopters, etwa 13,5 Prozent) und indirekten Beziehungen der Neuerer (early majority, etwa 34 Prozent) wächst die Zahl der Übernehmer/-innen stark an ; durch steigendes Vertrauen in die Neuerung ent- schließt sich der Großteil der Verbleibenden zur Übernahme (late majority, etwa 34 Prozent) ; schließlich beugen sich einige „Nachzügler“ (laggards oder late adopters, etwa 16 Prozent) dem wachsenden Druck zur Übernahme. Die Diffusionskurve, die Abbildung der kumulierten Häufigkeiten der Übernehmer/-innen im Zeitver- lauf, folgt einer S-Form : langsames Wachstum und sanfter Anstieg am Beginn, beschleunigtes Wachstum und zunehmende Steigung zur Mitte hin, gebremstes Wachstum und Abflachung am Ende.52 Als Maß für die Wirkmächtigkeit der in- terpersonalen Beziehungen im Netzwerk dient der Anteil der Übernehmer/-innen an allen Nachbarn eines Akteurs zu einem bestimmten Zeitpunkt ; dessen Ausprä- gung zum Zeitpunkt der Übernahme durch den Akteur gibt den Schwellenwert an. Schwellenwerte nahe dem Minimum 0 zeigen innovatives Verhalten an ; Werte nahe dem Maximum 1 werden als Zeichen mangelnder Innovativität gewertet.53 Die Kurve der Antragstellungen der Gesamtheit der 209 Antragsteller/-innen weicht deutlich von der vom Diffusionsmodell her zu erwartenden S-Form ab. Das überrascht kaum, verfehlt doch diese Versuchsanordnung eine zentrale Modellan- nahme : die interpersonale Verflochtenheit aller Übernehmer/-innen. Folglich be- trachten wir die Diffusionskurven getrennt nach Gemeinden. Dabei offenbart sich ein breites Spektrum an Verläufen, dessen Pole Frankenfels und Heidenreichstein bilden (Abbildung 5.2). Die für netzwerkgetriebene Diffusionen charakteristische S-Form ist in den Kurven für Auersthal, St. Leonhard am Forst und Heidenreich- stein nicht erkennbar : Das anfängliche Wachstum reißt zu rasch ab ; die Anstiege am Schluss erscheinen zu abrupt. Auch die flache zweite Hälfte der Diffusions- kurve für Frankenfels weicht von diesem Muster ab ; am ehesten folgt die erste Hälfte einer S-Form, was auf einen ‚epidemischen‘ Netzwerkeffekt  – immerhin
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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