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389„Bauernstolz“
oder Klientenmentalität ?
Gemeinden verliert sie wegen der unterschiedlichen Bodennutzungsintensitäten
der Agrarsysteme an Aussagekraft.
Die Entscheidung zur Antragstellung war nicht nur räumlich, sondern auch
zeitlich gestreut ; damit rückt die Diffusion der Antragsentscheidung in der länd-
lichen Gesellschaft in den Fokus. Gemäß dem Diffusionsmodell wird die Ent-
scheidung zur Übernahme einer neuen Denk- oder Handlungsweise – die An-
schaffung einer Maschine, die Antragstellung um eine Förderung, die Akzeptanz
einer Einstellung usw.
– über interpersonale Beziehungen Schritt für Schritt weiter
vermittelt ; auf diese Weise verbreitet sie sich ‚epidemisch‘ innerhalb eines Per-
sonennetzwerks.51 Die Verbreitung nimmt einen charakteristischen Verlauf : Zu-
nächst übernehmen nur wenige innovative, aufgrund ihres überdurchschnittlichen
Besitz- und Bildungsstandes risikofreudige Akteure (innovators, etwa 2,5 Prozent)
die Neuerung ; über die direkten (early adopters, etwa 13,5 Prozent) und indirekten
Beziehungen der Neuerer (early majority, etwa 34 Prozent) wächst die Zahl der
Übernehmer/-innen stark an ; durch steigendes Vertrauen in die Neuerung ent-
schließt sich der Großteil der Verbleibenden zur Übernahme (late majority, etwa 34
Prozent) ; schließlich beugen sich einige „Nachzügler“ (laggards oder late adopters,
etwa 16 Prozent) dem wachsenden Druck zur Übernahme. Die Diffusionskurve,
die Abbildung der kumulierten Häufigkeiten der Übernehmer/-innen im Zeitver-
lauf, folgt einer S-Form : langsames Wachstum und sanfter Anstieg am Beginn,
beschleunigtes Wachstum und zunehmende Steigung zur Mitte hin, gebremstes
Wachstum und Abflachung am Ende.52 Als Maß für die Wirkmächtigkeit der in-
terpersonalen Beziehungen im Netzwerk dient der Anteil der Übernehmer/-innen
an allen Nachbarn eines Akteurs zu einem bestimmten Zeitpunkt ; dessen Ausprä-
gung zum Zeitpunkt der Übernahme durch den Akteur gibt den Schwellenwert
an. Schwellenwerte nahe dem Minimum 0 zeigen innovatives Verhalten an ; Werte
nahe dem Maximum 1 werden als Zeichen mangelnder Innovativität gewertet.53
Die Kurve der Antragstellungen der Gesamtheit der 209 Antragsteller/-innen
weicht deutlich von der vom Diffusionsmodell her zu erwartenden S-Form ab. Das
überrascht kaum, verfehlt doch diese Versuchsanordnung eine zentrale Modellan-
nahme : die interpersonale Verflochtenheit aller Übernehmer/-innen. Folglich be-
trachten wir die Diffusionskurven getrennt nach Gemeinden. Dabei offenbart sich
ein breites Spektrum an Verläufen, dessen Pole Frankenfels und Heidenreichstein
bilden (Abbildung 5.2). Die für netzwerkgetriebene Diffusionen charakteristische
S-Form ist in den Kurven für Auersthal, St. Leonhard am Forst und Heidenreich-
stein nicht erkennbar : Das anfängliche Wachstum reißt zu rasch ab ; die Anstiege
am Schluss erscheinen zu abrupt. Auch die flache zweite Hälfte der Diffusions-
kurve für Frankenfels weicht von diesem Muster ab ; am ehesten folgt die erste
Hälfte einer S-Form, was auf einen ‚epidemischen‘ Netzwerkeffekt – immerhin
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937