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396 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“
heit der bäuerlichen Hofinhaber/-innen. Die erste Dimension (21 Prozent der
Gesamtstreuung) bemisst die Ausstattung mit Landkapital in Verbindung mit
der amtlichen Begutachtung der Grundbesitzer/-innen. Die echten (Berg-)Bauern
zeichnen sich durch mittel- bis großbäuerlichen Landbesitz in Gebirgslage sowie
die offizielle Einschätzung als „fleißig“, „ordentlich“ und „fortschrittlich“ aus ; die
Kümmerbetriebe sind durch Klein- und kleinbäuerlichen Besitz im Flach- und
Hügelland sowie die fehlende Anerkennung durch amtliche Gutachter gekenn-
zeichnet. Die zweite Dimension (20 Prozent der Gesamtstreuung) bemisst die
Gesamtverschuldung mittelbäuerlicher Betriebe. Hochverschuldete Mittelbetriebe
zeichnen sich durch Schuldenstände über 5.000 Reichsmark, Betriebsgrößen
zwischen fünf und 20 Hektar, die Lage im Alpenvorland und geringe Anteile an
Steuerschulden aus ; die Kennzeichen mäßig verschuldeter Mittelbetriebe umfassen
Schuldenstände bis zu 2.000 Reichsmark, Betriebsgrößen zwischen 20 und 50
Hektar, Gebirgslage und hohe Steuerschuldenanteile. Auf der dritten Dimension
(12 Prozent der Gesamtstreuung) sind vor allem Hektarverschuldung und Alter
bedeutsam. Die Altbauern mit mittlerer Hektarlast sind charakterisiert durch 200
bis 500 Reichsmark Schulden pro Hektar Betriebsfläche, hohen Darlehensschul-
denanteil, fünf bis 20 Hektar Betriebsfläche, Alter über 60 Jahren und Lage im
Alpenvorland oder Waldviertel ; die Jungbauern mit extremer Hektarlast zeichnen
sich aus durch niedrige Hektarschuldenstände auf Besitzgrößen zwischen 20 und
50 Hektar bzw. hohe Hektarschuldenstände auf Kleinbesitz unter zwei Hektar,
geringen Darlehensschuldenanteil, Alter zwischen 30 und 45 Jahren und Ge-
birgslage. Die drei Raumdimensionen bezeichnen erstens das (in symbolisches
Kapital konvertierte) Ausmaß an Landkapital, zweitens das Ausmaß an (‚nega-
tivem‘) Geldkapital und drittens das Verhältnis von Geld- zu Landkapital (im
Zusammenhang mit dem ‚Humankapital‘ der Besitzer/-innen) ; offenbar stehen
vor allem diese Kapitalsorten im Raum der Entschuldungs- und Aufbauaktion
auf dem Spiel.
Durch Kombination dieser Dimensionen entsteht der dreidimensionale Raum
der Anträge zur Entschuldungs- und Aufbauaktion 1938. Die Antragsteller/-
innen besetzen darin bestimmte Positionen ; deren Lagebeziehungen bezeichnen
strukturelle (Un-)Ähnlichkeiten : je näher, umso ähnlicher bzw. je entfernter, umso
unterschiedlicher. Darin lassen sich drei raumspezifische Milieus von benachbar-
ten, folglich einander strukturell ähnlichen Antragsteller/-innen bestimmen. Die
Fluchtrichtungen des Raumes lassen sich als Idealtypen, die Zusammenballungen
von Akteuren in den Milieus als reale Ausprägungen interpretieren. Wäre kein
Zusammenhang zwischen der Raumstruktur und der Praxis der Antragstellung
gegeben, würden alle Übernehmerkategorien nahe dem Ursprung, der ‚Durch-
schnittsposition‘, zu liegen kommen. Dies ist jedoch nicht der Fall : Die auffäl-
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937