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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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402 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ teils um bäuerliche Wirtschaftsstrategien im Hinblick auf die Entschuldungs- und Aufbauaktion : die Hoffnung auf die Befreiung von der Schuldenlast mithilfe des Staates ; die Besorgnis, dass „schlechte Wirtschafter“ die staatliche Unterstützung als Trittbrettfahrer missbrauchen könnten ; die Verlockung, den Versteigerungs- schutz auf Kosten der Gläubiger auszunutzen. Teils kamen aber auch die Herr- schaftsstrategien der Entscheidungsträger zum Ausdruck : Die Klage über negativ gezeichnete Subjekte  – den ‚naiven Ignoranten‘, ‚schlechten Wirtschafter‘, ‚skru- pellosen Egoisten‘  – diente der Abschreckung potenzieller Antragsteller/-innen, um die Zahl der tatsächlich eingebrachten Anträge in Grenzen zu halten. Offen- bar waren die Entscheidungsträger im Agrarapparat anfangs von der Antragsflut überrascht.74 Die monatelange Eindämmungsstrategie nahm jedoch kurz vor Ablauf der An- tragsfrist eine unerwartete Wende. Im Dezember 1938, eine Woche vor Ablauf der Antragsfrist, erschien ein ganzseitiger, illustrierter Artikel mit der Überschrift Un- sinnige Gerüchte um die Entschuldung. Damit signalisierten die Führer des Reichs- nährstandes einen strategischen Richtungswechsel : Ging es bisher darum, die Antragstellung einzudämmen, wurde diese nun zur Pflicht „eines jeden Betriebsin- habers, dessen Lage eine Bereinigung der Schulden fordert und dessen Wirtschaft der Hilfe bedarf“.75 Einerseits wurden an eine Verletzung dieser Pflicht massive Sanktionen geknüpft : „Landwirten“ drohe die Zwangsversteigerung ; „Bauern“, die durch das REG vor Zwangsversteigerungen geschützt waren, drohe die „Zwangs- kontrolle“ vonseiten des Reichsnährstandes. Andererseits signalisierte der Verfas- ser Verständnis für das Zögern der Antragsteller/-innen : „Der Antrag muß bis zum 31. Dezember 1938 gestellt werden. Viele glauben nun, diesen nicht stellen zu müssen, weil darin etwas Erniedrigendes, ja vielleicht Ent- ehrendes liege, zumal die Eröffnung des Verfahrens auch öffentlich bekanntgemacht wird. Braucht sich ein Fabriksbesitzer, dessen Betrieb bei der Machtübernahme still lag, zu schämen, wenn ihm durch Staatsaufträge und im Wege der Arbeitsbeschaf- fungsmaßnahmen mit öffentlichen Mitteln geholfen wurde ? Braucht sich ein Bauer oder Landwirt, den ein fremdes System bis an den Abgrund brachte, zu schämen, wenn ihm geholfen wird ? Daß mancher sich scheut, den Antrag zu stellen, ist zwar verständlich, da es immer der höchste Stolz des Bauern war, sich selbst zu helfen und selbst alle Schicksalsschläge zu überwinden. Diese Selbsthilfe ist aber in so zahl- reichen Fällen trotz aller Anstrengungen des einzelnen zur Zeit nicht möglich und deswegen wurde das Schuldenregelungsgesetz geschaffen.“76 Diese Auseinandersetzung zwischen positiv und negativ gezeichneten Subjekt- positionen verweist auf einen Widerspruch der Kolonialisierung bäuerlicher
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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