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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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407Staatshilfe als „Auslese“ Von diesem Fall ausgehend soll nun die Entschuldungs- und Aufbauaktion in den vier Untersuchungsgemeinden und -regionen nachgezeichnet werden. Beginnen wir mit der Höhe der Schulden, die im Zuge des Verfahrens erfasst wurden. Leitner rangierte mit einem Schuldenstand von 1.578 Reichsmark oder, umgerechnet auf die Kulturfläche, 59 Reichsmark pro Hektar deutlich unter dem Durchschnitt seiner Wohngemeinde mit 3.086 bzw. 108 Reichsmark. Damit lag Frankenfels am unteren Ende des Spektrums ; Spitzenreiter waren St. Leonhard am Forst mit im Schnitt 7.217 Reichsmark Gesamtschulden und Auersthal mit durchschnittlich 895 Reichsmark Schulden pro Hektar Kulturfläche (Tabelle 5.7). Diese Unterschiede waren unter anderem begründet durch die unterschiedlichen Ertragspotenziale der lokalen Agrarsysteme, die mehr oder weniger Schuldenlas- ten tragbar erscheinen ließen. Zudem fallen innerhalb desselben Agrarsystems Un- terschiede nach Betriebsgrößen auf, wenn wir die Betriebe nach der Kulturfläche drittelweise zusammenfassen : In Auersthal und St. Leonhard am Forst nahmen die Hektarschulden mit steigender Betriebsgröße ab ; damit stiegen auch die Ge- samtschulden. Ein Zusammenhang mit der größeren Bodennutzungsintensität der kleineren Betriebe, die sich auf Wein- und Hackfruchtbau konzentrierten, scheint gegeben. Frankenfels wich von diesem Muster ab ; hier lagen die Hekt- arschulden im mittleren und oberen Drittel sowie die Gesamtschulden im un- teren und mittleren Drittel auf etwa demselben Niveau. Völlig aus der Reihe fiel Heidenreichstein, wo die höchsten absoluten und relativen Schuldenstände in den mittleren Betrieben zu finden waren. Hier kombinierten die kleineren Betriebe die Landwirtschaft mit hausgewerblichem oder außerhäuslichem Erwerb ; die dadurch gegebene Flexibilität vermochte offenbar, gerade in Krisenzeiten, die Überschul- dung einzudämmen. Dies kommt etwa in der Begutachtung eines Kleinbetriebes in Reinberg-Heidenreichstein durch die Landstelle Wien zum Ausdruck : „Besitz vermag trotz seiner Kleinheit durch Nebenbeschäftigung  – Weberei, Heimarbeit  – die sechsköpfige Familie zu erhalten.“97 Neben der Höhe der Schulden verdient auch ihre Zusammensetzung Aufmerk- samkeit ; denn sie führt uns auf eine Spur zu den Triebkräften der Verschuldung in den 1930er Jahren. Betriebs- und gemeindeweise betrachtet werden unterschied- liche Akzente erkennbar (Abbildung 5.10 und Tabelle 5.8). Unter den Außen- ständen Leitners waren im Vergleich zu den übrigen Betrieben der Gemeinde die Anstaltsdarlehen unter-, die Privatdarlehen überdurchschnittlich vertreten. Im Gemeindevergleich besaßen Darlehen in Frankenfels mit gut der Hälfte den ge- ringsten, in Auersthal mit drei Vierteln den größten Anteil an den Schulden. Diese Kluft war wohl auch Ausdruck der unterschiedlichen Zugänge zum Kreditmarkt in der voralpinen Peripherie und nahe dem Finanzzentrum Wien. In beiden Ge- meinden hatten die Privat- gegenüber den Anstaltsdarlehen geringeres Gewicht
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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