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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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412 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ führen“105 sei. In der Regel benannten sie präzise die jeweiligen betrieblichen und fa- miliären Bedingungen, aus denen Schulden entstanden. In Auersthal findet sich kein Verweis auf die „Systemzeit“ ; stattdessen wurden Krankheiten, Todesfälle, Missern- ten, Hofübernahmen, Grund-, Vieh- und Maschinenkäufe oder Baumaßnahmen als Gründe der Verschuldung genannt.106 Ein regionaltypisches Verschuldungsrisiko haftete dem Weinbau mit seinen schwankenden Erträgen an : „Die Verschuldung der Wirtschaft wurde durch Viehverlust und schlechte Weinernten verursacht.“107 Auch in Frankenfels brachten die Gutachter die Verbindlichkeiten nur selten mit dem „schlechten Geschäftsgang“ während der „Systemzeit“ in Verbindung ; meist verwiesen sie, neben der ständigen Klage über die „schlechten Ertragsbedingungen“ im Gebirge, auf Krankheiten, Todesfälle, Brandschäden, Missernten, Grund-, Vieh- und Maschinenkäufe, Baumaßnahmen oder die Nachlässigkeit des Vorbesitzers.108 In Heidenreichstein trat, neben den bereits genannten Gründen, die regionale Un- gunstlage  – das Waldviertel als landwirtschaftliches „Notstandsgebiet“  – hervor.109 In St. Leonhard am Forst stachen aus der allgemeinen Palette der Verschuldungs- gründe die Ausgaben für das Gesinde besonders hervor : „Die Wirtschaft ist durch hohe Lohnkosten belastet.“110 Auch die Lösung dieses Problems durch Mechanisie- rung  – „Anschaffung der Maschinen betriebswirtschaftlich notwendig, da in dieser Gegend starker Arbeitermangel herrscht und der Betrieb mit Maschinen leicht be- arbeitet werden kann“111  – drückte auf die Schuldenlast. Alles in allem benennen die Stellungnahmen der amtlichen Gutachter zwei Ur- sachenbündel, die über das engere betriebs- und volkswirtschaftliche Argumenta- tionsmuster hinausreichten : unvorhersehbare Katastrophen und die Versorgungs- ansprüche der Familie. Ersteres treffen wir etwa auf einem größeren Betrieb in Kleinpertholz bei Heidenreichstein an : „Der Antragsteller wurde von Unglück im Laufe seines Lebens heimgesucht : Blitzschlag, Tötung seiner 1. Frau und 3 Kühe, Abbrennen der Wirtschaft und Unglück im Stall. Durch alle diese Unglücksfälle wurde der Antragsteller in seinem Wirtschaftserfolg sehr beeinträchtigt und per- sönlich beansprucht.“112 Das letztere Argument wurde für nahezu alle Untersu- chungsgemeinden bemüht : „Sehr tüchtige, fleißige Bauern, die durch die große Kinderzahl (13 lebende, 5 in fortgeschrittenem Alter gestorben) nicht zu einem ordentlichen Aufschwung kommen können.“113 Eine Beschränkung auf die be- triebliche Seite bäuerlichen Wirtschaftens würde demnach zu kurz greifen ; die Seite des Haushalts, vor allem der (unter-)bäuerlichen Familie, war damit untrenn- bar verwoben. Offenbar war das Schuldenmachen Teil der familienwirtschaftlichen Strategie, eine große Zahl noch nicht oder nicht mehr arbeitsfähiger Angehöriger zu versorgen.114 Manchmal verbanden sich beide Verschuldungsursachen : „Der Mann der Besitzerin ist 1931 gestorben. Die Frau mußte die Wirtschaft allein weiterführen und 10 Kinder erhalten und betreuen, wodurch die Verschuldung
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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