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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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413Staatshilfe als „Auslese“ der Wirtschaft verursacht wurde.“115 Freilich wirkten Katastrophen und famili- äre Versorgungsansprüche erst im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Ge- samtentwicklung als Schulden : „Die Schulden stammen vom Grundankauf und der Ernährung der zahlreichen Familie in der Zeit schlechten Verdienstes.“116 Die Lektüre der amtlichen Gutachten der Entschuldungsbetriebe entkleidet das Argu- ment, die bäuerliche Verschuldung beruhe einzig und allein auf der Misswirtschaft der „Systemzeit“, seines ideologischen Mäntelchens. Die Suche nach den Gründen der bäuerlichen Verschuldung, wie sie sich 1938 darstellte, führt zu einem Komplex ökonomischer und außerökonomischer Mo- mente, die sich nach dem Ersten Weltkrieg zu einer krisenhaften Entwicklung verbanden. Die Verschuldungskrise, die Mitte der 1920er Jahre, nach der inflati- onsbedingten Entschuldung der Betriebe, eingesetzt hatte, war weniger auf eine Intensivierung der Betriebsführung, als vielmehr auf die Überwindung der kriegs- bedingten Extensivierung, das heißt der Schädigungen des Betriebskapitals etwa durch Beschlagnahmen, Raubbau oder den Aufschub von Reparaturen, sowie die Überwindung von Notlagen zurückzuführen. Dazu kam in der Weltwirtschafts- krise der 1930er Jahre  – im Widerspruch zur bauernfreundlichen Rhetorik des „agrarischen Kurses“  – der Rückgang der bäuerlichen Betriebs- und Haushalts- einkommen durch die zunehmende Öffnung der Schere zwischen Betriebsmit- tel- und Agrargüterpreisen. Unter den Bedingungen dieser strukturellen und kon- junkturellen Doppelkrise sahen sich viele Betriebsinhaber/-innen außerstande, die aufgenommenen Sach- und Personalkredite zu tilgen sowie Steuern und Abgaben zu entrichten ; ihnen drohten Zwangsversteigerungen, die von Geldinstituten, Pri- vatgläubigern und Behörden betrieben wurden.117 Nach Angaben der Landwirt- schaftskammer stiegen die Zahlen der in Niederösterreich bewilligten Zwangs- versteigerungen 1929 bis 1934 von 640 auf 1.813 ; im selben Zeitraum stiegen die Zahlen der durchgeführten Exekutionen von 174 auf 597.118 Gegen die Ver- steigerungswelle richteten sich eine Reihe von bäuerlichen Widersetzlichkeiten, die ihren Schwerpunkt in den Gebirgsregionen hatte.119 Selbst dem NS-Regime nahestehende Experten sahen die Verschuldung weniger politisch, als wirtschafts- strukturell und -konjunkturell bedingt : „Soweit aus vorliegenden Angaben etwas über die Verschuldungsgründe zu ersehen war, sind die Ursachen der Verschuldung vorwiegend auf die Unrentabilität der Land- wirtschaft, daneben aber auch in der Ausführung unvermeidlich gewordener Bauten zu suchen. Allerdings war auch eine Besitzverschuldung infolge Gutsübertragung und Erbabfindung bereits in steigendem Umfang wieder festzustellen. Die Schulden sind im allgemeinen also nicht gemacht, um Betriebe zu intensivieren, sondern weil ir- gendeine Notlage eingetreten war.“120
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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