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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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438 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ „Unter Gebirgsbauer versteht man meist jenen Bauer, der hoch oben in den Bergen, an der Grenze menschlicher Siedlungsmöglichkeiten, um seinen Lebensunterhalt ringt. Unendlich schwerer Arbeit steht ein geringer Ertrag gegenüber. Seine Wirtschaft ist ein Grenzbetrieb im ökonomischen Sinne. Umstände, die der Bauer im Tal kaum spürt, können ihn vor ungeheure Aufgaben stellen, können für ihn Sein oder Nicht- sein bedeuten. Das Leben stellt an ihn höhere Anforderungen und schafft so eine Auslese, die für das ganze Volk eine Quelle besten Blutes bildet. Dieser Bauer auf dem letzten Hof zwischen unfruchtbarem Fels und menschlichem Siedlungsgebiet ist das Urbild dessen, was wir unter Bergbauer verstehen und ist zugleich auch der Grenzfall. Denn unter ihm beginnt noch lange nicht das Flachland. Zwar sind die Almen, der Wald und die Wiesenhänge nicht mehr so schroff und dem Wetter ausgesetzt, doch bieten sie ganz andere Produktionsvoraussetzungen, als etwa das Hügelland oder gar das Flachland.“176 Der „Gebirgsbauer“ wird hier in doppelter Weise als grenzwertig konstruiert : Ei- nerseits wirtschafte er an der ökologischen Vegetationsgrenze, andererseits an der ökonomischen Grenze der Ertragsfähigkeit. Seine Leistung wird weniger volks- wirtschaftlich, als vielmehr „volksbiologisch“, weniger an den Erträgen seines Be- triebes, als an seiner Familie  – als „Quelle besten Blutes“  – bemessen. Der Autor unterscheidet jedoch zwischen dem derart skizzierten Ideal der „Ge- birgsbauern“ und dessen realen Ausprägungen in den unterschiedlichen Land- schaftszonen zwischen Hochgebirge sowie Hügel- und Flachland : „Die Zahl der wirklichen Grenzbetriebe ist verhältnismäßig niedrig und ihr wirt- schaftlicher Nutzen für die gesamte Landwirtschaft ist verschwindend gering. Der Betrieb des Bauern im Bergland dagegen stellt einen großen Teil aller landwirtschaft- lichen Betriebe in der Ostmark und seine Wirtschaftslage spielt eine entscheidende Rolle für den Wirtschaftserfolg der Gesamtlandwirtschaft.“177 Erst der in weniger grenzwertiger Natur- und Wirtschaftslage angesiedelte „Berg- bauer“ erhält neben dem „volksbiologischen“ auch volkswirtschaftlichen Nutzen zugesprochen ; auf diese Gruppe, die drei Viertel der Betriebsfläche und die Hälfte der Betriebe der Ostmark repräsentierte, konzentriert sich der folgende Problem- aufriss. Dabei folgt er der Definition aus der Verordnung zur „Bergbauernhilfe“ der österreichischen Bundesregierung von 1934. Zwar weist der Autor auf die in- nere Differenzierung hin : „Eine ‚typische‘ Bergbauernwirtschaft, auf die etwa die im folgenden gegebenen Wirtschaftsverhältnisse genau zutreffen, gibt es nicht.“178 Dementsprechend müssten Seehöhe, Wasserhaushalt und Bodenbeschaffenheit, Wärme-, Licht- und Niederschlagsverhältnisse, Verkehrslage, Absatzmöglichkei-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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