Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Page - 445 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 445 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Image of the Page - 445 -

Image of the Page - 445 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text of the Page - 445 -

445„Aufrüstung“ in den Bergen drei längere Artikel193  –, war nicht bloß Dienst an der gemeinsamen Sache.194 Sie diente zweifellos auch seinem persönlichen Interesse, die Position als „Bauernfüh- rer“ für das Gebiet des ehemaligen Österreichs zu beanspruchen und, nach Aus- laufen des Wiener Landwirtschaftsministeriums 1940, als Unterstaatssekretär im REM nachhaltig abzusichern. So gesehen war Reinthaller nicht nur publizistischer Konstrukteur des Bergbauern-Syndroms, sondern auch dessen Nutznießer ; er ins- trumentalisierte es nicht nur dazu, um als ‚Bergbauern-Patron‘ Lobbying für seine Klientel zu betreiben, sondern auch im Interesse der eigenen Karriere. Die Agenden der Berglandabteilung umfassten ein breites Spektrum an Akti- vitäten, die von der infrastrukturellen Erschließung der Höfe  – etwa durch Güter- wege, Seilbahnen und Stromanschlüsse  – über die technische Betriebsausstattung  – etwa mit Saatgut, Landmaschinen und Gebäuden  – bis zu wissenschaftlichen Forschungsarbeiten reichten.195 Für das Vorzeigeprojekt, den „Gemeinschafts- aufbau im Bergland“, erhoben mehrere Beteiligte nachträglich Anspruch auf die Vaterschaft. Exel zufolge wurde die „Idee der ‚Aufbaugemeinschaften‘ in der Lan- desbauernschaft Donauland geboren“.196 Nach Haushofer ging es ihm und seinen Fachkollegen mit dieser Aktion darum, nun endlich „für die Bergbauern etwas tun zu können“.197 Doch jenseits derartiger Einzelinitiativen folgte die Entscheidung für den „Gemeinschaftsaufbau im Bergland“ aus dem Gesamtzusammenhang des nationalsozialistischen Agrarapparats. Um ein Gegengewicht zur schrittweisen Entmachtung von innen, durch die Karriere seines Stellvertreters Herbert Backe in der Vierjahresplanbehörde seit 1936, und außen, durch die Bestellung Heinrich Himmlers zum Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums 1939, zu setzen,198 kündigte Reichsernährungsminister Richard W. Darré im Dezem- ber 1940 in einer Radiorede zur Kriegserzeugungsschlacht die „Aufrüstung des Dorfes“ an.199 Dieser metaphorisch an die militärisch-industrielle Aufrüstung anknüpfende, gigantomanische Plan einer ‚Totaltechnisierung‘ der deutschen Landwirtschaft nach Kriegsende  – als Kosten wurden rund 60 Milliarden Reichs- mark kolportiert  – nährte die Vision einer nachholenden „Modernisierung [sic] der Landwirtschaft“ auf bäuerlicher Grundlage.200 Der „Gemeinschaftsaufbau im Bergland“ stand im engen Zusammenhang mit der „Aufrüstung des Dorfes“, wie Haushofer ausführte : „Man kann es tatsächlich so ausdrücken, daß der Gemein- schaftsaufbau für die  – erst nach dem Kriege vorgesehene  – Dorfaufrüstung nicht nur planerische Vorarbeiten geleistet, sondern schon Lösungen hingestellt hat, die nicht nur technisch, sondern auch verfahrensmäßig Ansatzpunkte für deren Wei- terentwicklung nach dem Kriege darstellen.“201 Die „Dorfaufrüstung“ bezog sich nicht nur auf das „Landvolk“ im Reichsgebiet, sondern auch auf die Besiedelung der eroberten Ostgebiete.202 Aus der Perspektive der Agrarplanung bereiteten die ‚kleinen Schritte‘ des „Gemeinschaftsaufbaus im Bergland“ den Boden für den
back to the  book Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder