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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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469„Aufrüstung“ in den Bergen als Aufbauleiter zählte, dann unterschlug er dabei einen wesentlichen Unterschied : Für die Höfe in der Nähe des Lagers beim Bahnhof Ybbsitz sowie der Nebenlager in den Katastralgemeinden handelte es sich um eine Regelung, die den Zugriff auf billige, gefügige Arbeitskräfte ermöglichte. Für die eigentlichen „Gebirgsbauern“ war der damit verbundene Überwachungsaufwand beim Hin- und Rücktransport kaum tragbar. Für Erstere standen die Transaktionskosten des Kriegsgefangenen- einsatzes in einem günstigen Verhältnis zu den Lohnkosten  – was den Wunsch nach einem Austausch der polnischen Zivilarbeitskräfte weckte ; für Letztere stan- den Transaktions- und Lohnkosten in einem ungünstigen Verhältnis. Je nach Be- triebsstandort erwies sich der Ybbsitzer Kompromiss als effiziente oder ineffiziente Institution ländlicher Arbeitskraftrekrutierung. Die Massendeportation „ungarischer Juden“ nach Niederdonau eröffnete 1944 den Protagonisten des Gemeinschaftsaufbaus in Ybbsitz ein Gelegenheitsfenster zur Fortsetzung des vorübergehend eingestellten Güterwegebaus im Aufbaugebiet. Die Agrarbezirksbehörde in Wien, Gruppe Güterwege, die örtliche Aufbauge- nossenschaft und die Gauwerke Niederdonau, die das ehemalige Kriegsgefange- nenlager in Gstadt mittlerweile als Materialdepot in Beschlag genommen hatten, einigten sich im Juni 1944 auf die bauliche Abtrennung einiger Räume zur Un- terbringung von etwa 60 „ungarischen Juden“ als Arbeitskräfte für den Güter- wegebau.253 Ob die ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter/-innen tatsächlich, wie beabsichtigt, vom Arbeitsamt zugewiesen und vor Ort eingesetzt wurden, muss bezweifelt werden ; denn noch im November 1944 spekulierte das Amt des Reichs- statthalters in Niederdonau über die Verwendung der Räumlichkeiten „für den Fall des Ausbleibens der Judenarbeiter“.254 Neben den äußeren Beschränkungen der Ressourcenengpässe und damit in Verbindung stieß der „Gemeinschaftsaufbau“ in Ybbsitz aber auch auf innere Grenzen. Brauner konnte selbst in seinem Erfolgsbericht an die Berglandabtei- lung nicht verhehlen, dass unter den knapp über 200 Genossenschaftsmitgliedern Missstimmung aufgekommen war. Es sei künftighin notwendig, „rechtzeitig die Mitgliedschaft etlicher, offensichtlich unfähiger Mitglieder zu überprüfen und die unwürdigen und unfähigen Bauern vom Gemeinschaftsaufbau auszuschlies- sen und damit den Weg für einen Besitzerwechsel oder Hofübergabe frei zu ma- chen“.255 Über die Gründe dieses Missmuts können wir begründete Spekulationen anstellen : Erstens erwiesen sich einige Neuerungen, wie der Kriegsgefangenen- einsatz, für manche Betriebsbesitzer/-innen als wirtschaftlich widersprüchlich : die Handelsdüngerlieferungen, die mangels einer überdachten Lagerstätte am Bahnhof bei häufig widriger Witterung vom Waggon aus auf die Transportfahr- zeuge verladen werden mussten ; der genossenschaftliche Holzgastraktor, für den noch keine ausgebildeten Fahrer verfügbar waren ; die „Gesunddüngung“ mittels
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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