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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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480 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ fand ; zur Grundausstattung zählte er nur in den Gän sern dorfer Betrieben über 100 Hektar ; in Gmünd wurde er, von einem Mittel- und einem Gutsbetrieb abgese- hen, nirgendwo registriert. Eine mittlere bis schwache Betriebsgrößenabhängigkeit zeigten in allen Regionen die Dreschmaschine, wobei in größeren Betrieben der Göpelantrieb ab-, der Kraftantrieb zunahm, und die Schrotmühle. Stark von der Betriebsgröße abhängig war durchwegs die Anschaffung von Düngerstreuern und Kartoffelerntemaschinen. Neben diesen regionalen Gemeinsamkeiten lassen sich aber auch Unterschiede fassen : Drillmaschinen erwiesen sich in Gän sern dorf als schwach, in Melk als mittelmäßig und in Gmünd als stark betriebsgrößenabhängig. Die Verbreitung von Mähmaschinen, Bindemäher ausgenommen, nahm in Melk nur schwach, in Gän sern dorf mittelmäßig und in Gmünd stark mit der Betriebs- größe zu. Offenbar hingen die Skaleneffekte der Mechanisierung mit der Aus- prägung des regionalen Agrarsystems zusammen : Wo bestimmte Betriebszweige  – etwa der Ackerbau in Gän sern dorf, der Futterbau in Melk  – hervortraten, waren die daran gekoppelten Maschinen  – etwa Drillmaschinen in Gän sern dorf, Mäh- maschinen in Melk  – auch in kleineren Betrieben vergleichsweise weit verbreitet. Selbst Gmünd, wo die Anschaffung der auf den ausgeprägten Kartoffelbau abge- stimmten Erntemaschinen stark von der Betriebsgröße abhängig war, zeigt einen Zusammenhang mit dem regionalen Agrarsystem : Die hohe Dichte der Gärfut- terbehälter für Kartoffeln in den Betrieben unter zehn Hektar hing hier  – im Ge- gensatz etwa zu Gän sern dorf und Mank  – nicht mit der Betriebsgröße zusammen. Diese Vergleiche lassen erkennen, dass die bäuerliche Logik des Maschinenein- satzes nicht notwendigerweise den Rentabilitätsmaßstäben der Fachleute folgte. In der Schilderung eines Dissertanten an der Wiener Hochschule für Bodenkultur, der die „Landflucht“ im nordöstlichen Niederdonau studierte, wird diese Diskre- panz fassbar : „Auf meine Feststellung, daß die geplante Anschaffung eines Bindemähers bei der vorliegenden Betriebsgröße noch nicht wirtschaftlich sei, erklärte der betreffende Bauer, daß sich seine beiden Nachbarn, Arbeiter, Motorräder angeschafft hätten, ob- wohl sie außer am Sonntag kaum Zeit hiefür hätten, und schloß : Warum sollen sich meine Frau und ich nicht auch die Arbeit leichter machen, indem wir uns einen Bin- demäher anschaffen ?“272 Diese Schilderung erhellt eine Facette bäuerlicher Wirtschaftsstile, welche die Statistik im Dunkeln belässt. Das Leitmotiv der Maschinenanschaffung bildete in diesem Fall nicht die objektive Rentabilität, sondern die subjektive Arbeitser- leichterung. Die Landarbeit unterschied sich von der Tätigkeit in anderen Wirt- schaftszweigen nicht nur durch die längere Tages- und Wochenarbeitsarbeitszeit
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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