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481Kapitaleinsatz
vor Ort
in den arbeitsreichen Monaten des Jahres, sondern auch durch ihre Beschwerlich-
keit – Kälte, Nässe, Schmutz, Kraftverschleiß, Gefährlichkeit und so fort.273 „Der
Begriff ‚Schönheit der Arbeit‘ zeichnet sich in Hof, Stall und Scheune in der über-
wiegenden Zahl der Fälle durch Fehlen aus“,274 meinte der Dissertant nach seinen
Erhebungen lapidar. Die Eigenarten der Landarbeit legten arbeitserleichternde
Anschaffungen nahe
– auch wenn sie die Rentabilität des Betriebes minderten. Der
Eigensinn der Mechanisierung fand seinen Ausdruck im statistischen Befund, dass
jene Maschinen, die auf regional und betrieblich hervortretende Betriebszweige
ausgerichtet waren, auch in kleineren Betrieben in größerer Zahl vorhanden wa-
ren. Das Bedürfnis nach Arbeitserleichterung als Facette bäuerlicher „Mußepräfe-
renz“275 stand in Beziehung zu den Orientierungen anderer Personen und Grup-
pen, etwa der benachbarten Arbeiterfamilie mit dem Motorrad. Die Ausformung
bäuerlicher Wirtschaftsstile erfolgte relational, in Beziehung zu anderen Wirt-
schafts- und Lebensstilen inner- wie außerhalb des Agrarsektors.
Nicht nur die Hofkartendaten zum Maschinen- und Gerätebestand, auch die
Angaben zum Viehstand 1941 bis 1944 werfen ein Problem auf : Nicht alle Be-
triebe verfügten Jahr für Jahr über Zug- oder Nutztiere (Tabelle 5.21).276 Der An-
teil der viehlosen Betriebe in den Regionen Litschau, Mank und Matzen 1941
betrug 9 Prozent, verringerte sich 1942 auf 6 Prozent und kletterte bis 1944 wie-
der auf 9 Prozent. Auf Erhebungslücken allein lassen sich diese Anteile nicht zu-
rückführen ; da die Stückzahlen an Vieh durch die Betriebsleiter/-innen leichter
als etwa die Nutzflächen verschleiert werden konnten, galt ihnen vonseiten der
Erhebungsorgane erhöhte Aufmerksamkeit. Offenbar war die viehlose Landwirt-
schaft in den Untersuchungsregionen 1941 bis 1944 eine nicht zu vernachläs-
sigende Größe. Die Spitze bildeten die Weinhauerfamilien, von denen 1941 fast
drei Viertel, in den Folgejahren immer noch ein Drittel bis ein Viertel keinerlei
Vieh hielten. Überdurchschnittliche Anteile an viehlosen Betrieben wiesen auch
Nebenerwerbs- und Arbeiterbauernfamilien sowie Gewerbebauern auf. Die viehlose
Landwirtschaft kennzeichnete vor allem kleinere Betriebe und Haushalte mit au-
ßerlandwirtschaftlichem Erwerb. Im Zeitverlauf werden unterschiedliche Strate-
gien fassbar : Während immer weniger Arbeiterbauernfamilien und Gewerbebauern
Vieh nutzten, nahm die Viehhaltung unter den Weinhauerfamilien rasant zu. Die
Nebenerwerbsbauernfamilien pendelten zwischen Ausweitung und Einschränkung
der Viehhaltung.
Einen Einblick in die Varianten der amtlich registrierten Viehnutzung 1941
bis 1944 vermitteln die zehn (unter-)bäuerlichen Beispielbetriebe (Tabelle 5.22,
Anhang). Wenige bis keine Änderungen der Viehzahlen verzeichneten der Ar-
beiterbauernfamilien-Betrieb von Leopoldine Eichler in Heidenreichstein, die
zwei Kühe und einige Hühner hielt, und der Gewerbebauern-Betrieb von Leo-
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937