Page - 502 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Image of the Page - 502 -
Text of the Page - 502 -
502 Das „Landvolk“ und seine Meister
1901 gegründete Staatsanstalt für Pflanzenschutz unter der Leitung von Bruno
Wahl, die sich der Erforschung der Pflanzenkrankheiten und -schädlinge sowie
von deren Bekämpfung widmete.39
Neben den traditionsreichen, aus Monarchie und Republik stammenden For-
schungsstätten in der Landesbauernschaft Donauland gründete das REM in Säu-
senstein bei Ybbs an der Donau 1939 die Reichsforschungsanstalt für Landwirt-
schaft im ostmärkischen Donauraum unter der Leitung von Alfred Könekamp.40
Mit dieser Neugründung sollte – ebenso wie mit der gleichzeitigen Gründung
der Reichsforschungsanstalt für alpine Landwirtschaft in Admont in der Steier-
mark41 – der jahrzehntelange Entwicklungspfad der österreichischen Agrarfor-
schung mit ihrem Fokus auf die landwirtschaftlichen Gunstgebiete im pannoni-
schen Osten aufgebrochen und im Hinblick auf die westlich gelegenen Flachland-,
Hügelland- und Gebirgsgegenden umgelenkt werden. Gemäß dem Grundsatz,
„die landwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen unmittelbar in den Raum hi-
neinzulegen, dessen Erzeugung gehoben werden soll“, wurden die Standorte der
Forschungsanstalt in unterschiedlichen Produktionsgebieten platziert (Abbildung
6.2). Das Institut für Acker- und Pflanzenbau in Sooß bei Melk, das Institut für
Grünlandwirtschaft in Säusenstein bei Ybbs an der Donau und das Institut für
Tierhaltung in Rottenhaus bei Wieselburg an der Erlauf verfügten über 13 Ver-
suchshöfe im Gesamtausmaß von 900 Hektar ; sie wurden ergänzt durch die Au-
ßenstelle Waldviertel in Arndorf bei Pöggstall und die Außenstelle Voralpenland
in Reithof bei St. Georgen an der Leys. Neben dem Bestand an Instituten, Ver-
suchshöfen und Außenstellen war nach Kriegsende die Einrichtung von Instituten
für Bodenkunde und Pflanzenernährung und bäuerliche Betriebslehre sowie wei-
terer Außenstellen geplant.
Die Versuchshöfe der Reichsforschungsanstalt umfassten unterschiedliche Bo-
dennutzungstypen, von der reinen Grasland- bis zur reinen Getreide- und Hack-
fruchtwirtschaft, sowie die vier Hauptrinderrassen Murbodner, Simmentaler,
Montafoner und Waldviertler. Bereits 1942, drei Jahre nach der Gründung, ver-
meldete der Anstaltsleiter Erfolge bei der Sortenbereinigung im Getreidebau, dem
Pflanzenbau, der Futterpflanzenzüchtung, der Stall- und Handelsdüngeranwen-
dung und der Viehfütterung unter den kriegsbedingten Einschränkungen. Beson-
deres Augenmerk galt der „Brücke von der Forschung zur Praxis“
– der Verbreitung
der Ergebnisse durch Schulungskurse für Landwirtschaftslehrer, Wirtschaftsbera-
ter, Hofberater und Ortsbauernführer, Vorführungen auf den Versuchswirtschaften
im Sommer, Vorträge im Winter sowie Veröffentlichungen der Versuchsergebnisse
in Zeitschriften und anstaltseigenen Merkblättern.42 Wenn auch kriegsbedingter
Personal- und Materialmangel die Umsetzung der ehrgeizigen Pläne be- und ver-
hinderte, setzte die Reichsforschungsanstalt zumindest regionale Impulse auf dem
back to the
book Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937