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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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520 Das „Landvolk“ und seine Meister erreichen. In anderen Gebieten behinderten verstreute Siedlungen, die Rand- oder Gebirgslage sowie landwirtschaftliche Arbeitsspitzen die den Einsatz von Filmen. Im Lauf des Krieges wurden die Filmwagen mehr und mehr vom Land abgezogen und zur Truppenbetreuung eingesetzt. Von offizieller Seite erschien das Landkino als ein ambivalentes Medium : Einerseits sollte es die engen Dorfhorizonte aufbre- chen und die Kinobesucher in die nationale Gemeinschaft des „Volkes“ eingliedern ; andererseits wurde befürchtet, dass die filmisch projizierte bürgerlich-hedonistische Lebensweise als Alternative zur Enge des Dorfalltags die „Landflucht“ befördern könnte. Entsprechend lautete die Empfehlung, auf dem Land „wirklichkeitsgetreue“ Filme mit klarer politischer Botschaft zu zeigen. Demgegenüber orientierte sich das ländliche Publikum eher am Erlebniswert der Filme, deren Illusionscharakter eine willkommene Gelegenheit zum Ausbruch aus der Alltagsroutine bot.110 Zur Resonanz der Filme des Reichsnährstandes im „Landvolk“ sind die Spu- ren dünn gesät ; so finden sich nur vereinzelte Zeitungsmeldungen, wonach die Vorführungen  – etwa des von der Landesbauernschaft Donauland gestalteten Fil- mes Aus der Scholle Kraft der Bauer Güter schafft in Zwettl im Februar 1941  – vor vollen Publikumsrängen stattfanden.111 Die Wirtschaftsberatung der Landesbau- ernschaft Donauland dachte dem Filmmedium erhebliche Schlagkraft zu, organi- sierte sie doch zur Jahreswende 1938/39 die Ausstattung jeder Kreisbauernschaft mit einem Stummfilmgerät und die Schulung von Vorführpersonal. Die Tonfilme, die im Bereich der Landesbauernschaft Donauland 1938 den „größten Anklang“ fanden, umfassten sowohl politisch-ideologisch als auch ökonomisch-pragmatisch anmutende Titel (Tabelle 6.1). Die durchschnittlichen Besucherzahlen der Vor- führungen schwankten zwischen 300 und 12 ; dies verweist auf unterschiedliche Publikumsresonanzen oder auch auf das Bestreben, neben Städten und größeren Gemeinden auch kleinere Orte zu bespielen.112 Die Saat geht auf, mit 40 Vorfüh- rungen und 10.000 Besuchern erfolgreichster Film, war ein antisemitischer Pro- pagandastreifen, der dem „Landvolk“ die Gefahren des „Landjudentums“ drastisch vor Augen führte.113 Blut und Boden, mit 20 Aufführungen und 6.000 Besuchern zweiterfolgreichster Streifen, war eine von Reichsminister Richard W. Darré 1933 in Auftrag gegebene Spieldokumentation, die das „deutsche Bauerntum“ in seiner Doppelrolle als „Volksernährer“ und „Blutsquell“ in archaischen Körperbildern in- szenierte.114 Pflüg mit, Kamerad, mit 20 Aufführungen und 5.000 Besuchern drit- terfolgreichster Film, wandte sich gegen die „Landflucht“ der Landjugend.115 Alle drei Streifen zählten zum Genre des politisierten Aufklärungsfilms, der einen vom negativen Erfahrungsraum abgehobenen positiven Erwartungshorizont  – etwa die „Neubildung deutschen Bauerntums“ in der Ostsiedlung in Blut und Boden116  – in Szene setzte. Demgegenüber fanden entpolitisierte Lehrfilme wie Deutscher Mais, Achtung, Kartoffelkäfer und Erzeugungsschlacht offenbar geringeren Anklang.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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