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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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531Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? schlechten Bauern ? Ein Bauer schreibt uns, wir antworten.155 Wie die Aufklärungen waren Appelle überwiegend von speziellen Betriebs- und Haushaltstätigkeiten ab- gehoben ; wie die Anweisungen enthielten sie kaum explizite Begründungen. Sie beanspruchten das höchste Maß an Verbindlichkeit, ließen dem Leser und der Le- serin keine Wahl und propagierten ein striktes Entweder-Oder auf der Grundlage einer verordneten Wirtschaftsmoral, die den „Gemeinnutz“ über den „Eigennutz“ stellte. Dementsprechend wurden Werte wie Einsatzbereitschaft, Zusammenhalt und Leistungswille propagiert : Können wir noch mehr leisten ? Die Antwort lautet : ja !156 Das Wochenblatt sollte nach den Bekundungen seiner Macher die „Aufgabe eines Bindegliedes zwischen dem Bauernvolke und seiner Führung“157 erfüllen. Die hauptsächlichen Schreibweisen  – Anleitung, Argumentation, Aufklärung und Appell  – waren jedoch nur bedingt dazu geeignet, denn sie dienten vorrangig als Sprachrohr der Führung. Damit wurde aber die bezweckte Einheit von Informa- tion, Mitteilung und Verstehen unwahrscheinlicher, weil die mitgeteilten Informa- tionen Gefahr liefen, das Verständnis der Leser/-innen, deren Eigensinn, zu ver- fehlen. Gescheiterte Kommunikationsakte sind quellenmäßig schwierig zu fassen ; Indizien dafür stellen Veränderungen von Form und Inhalt einer Zeitung dar, wie sie im Wochenblatt 1939 an der Kolumne Jo des han i net gwißt … fassbar werden. Ein für die Kolumne eigens entworfenes Sujet neben der Überschrift karikiert holzschnittartig zwei ländliche „Typen“, einen Mann und eine Frau (Abbildung 6.5). Im jeweiligen Artikel, nicht länger als eine Viertelseite, entspinnt sich in di- rekter Rede ein Dialog zwischen einem Bauern und einer Bäuerin. Der Dialog wird in einem ostösterreichischen, stellenweise derben Dialekt geführt. Er dreht sich um ein Problem aus dem bäuerlichen Erfahrungsbereich, zu dem der Prot- agonist und die Protagonistin zunächst gegensätzliche Standpunkte einnehmen. Im Lauf des Dialogs gelingt es einer Person, die andere von der Richtigkeit ihres Standpunkts zu überzeugen. Schließlich löst sich der Gegensatz durch die Pointe : „Jo des han i net gwißt“  – „ja das habe ich nicht gewusst“  – auf. Kurz, Aufklärung als Bauernschwank. Die ersten fünf Folgen der Kolumne widmeten sich verschiedenen Bereichen bäuerlichen Arbeitens und Lebens : Die Autostraßen, Die Musterung, Der Sport, Die Maschinenbestellung und Die Zahnpflege.158 In der sechsten Folge unter dem Titel Wann mia zwoa redn mitanaunda … machte sich die Kolumne überraschend selbst zum Thema : „Bauer : Du, Bäuerin, hast es schon gehört ? Der Nachbar schimpft, dass mir zwoa alleweil über Sachn redn und uns interhaltn, die was oans von uns zwoa net woaß. Das Wochenblattl, das was an sölchan Dischkurs abdruckt, mag i nimmer, hat er gsagt.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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