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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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549Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ Eskalation bei.229 Zudem war es nicht irgendwer, der die Legitimität des neuen Regimes infrage stellte ; der „meckernde“ Bauer war, wie uns der Artikel mitteilt, einer, „der auch damals [während der „Systemzeit“] mitzureden hatte“. Falls tat- sächlich ein Wortführer des alten „Systems“ das Schweigen gebrochen hatte, sah sich ein Sprecher der NS-Dorfelite veranlasst, der Wortattacke zu begegnen. Es ist auch ein anderer Fall denkbar : Die NS-Dorfelite suchte den nicht mehr zu ig- norierenden Unmut über die landwirtschaftliche „Preisschere“ mittels der fiktiven Geschichte des „Systemlings“ zur christlichsozialen Gegnerschaft um- und damit abzuwerten. In beiden Fällen folgte die Rede derselben Strategie : die Legitimität der neuen Elite durch die Entlegitimierung der alten zu stärken. Die offensichtlich wirtschaftlich motivierte Äußerung des Bauern : „I spür nix, daß besser ist“ wird zur moralisch verwerflichen „Böswilligkeit“ des „Systemlings“ umgedeutet. Ver- stärkend hinzu kommt die Inanspruchnahme „wahren Christentums“ durch den Nationalsozialismus in Abgrenzung zur behaupteten Scheinheiligkeit der christ- lichsozialen „Systemlinge“. Der Kampfartikel vom Sommer 1939, als Knoten eines Bedeutungsgewebes betrachtet, spannte gewissermaßen eine Brücke zwischen Spezial- und Alltagsdis- kursen zu bergbäuerlichen Arbeits- und Lebensverhältnissen 1938/39 : einerseits der agrarökonomischen und agrarpolitischen Debatte zum Bergbauern-Syndrom, die Diagnosen und Therapien zur Gesundung des „Gebirgsbauern“ als „Blutsquell und Ernährer“ erörterte ; andererseits der wachsenden Unzufriedenheit der Ange- hörigen bergbäuerlicher Familien über die sich öffnende Schere zwischen Ausga- ben und Einnahmen, vor allem als Folge der im Zuge der „Landflucht“ gestiegenen Gesindelöhne. Der Artikel suchte die Kluft zwischen dem Ansprechen und Weg- reden des bergbäuerlichen Einkommensproblems im grellen Kontrast zwischen den „Systemjahren“ und der „neuen Zeit“ in den Schatten zu stellen. Zwar stellte er das bergbäuerliche Einkommensproblem nicht in Abrede ; doch umging er es, indem er die Aufmerksamkeit der Leser/-innen auf die Besserung der Lage seit dem „Anschluss“ umzulenken suchte : „I spür nix, daß besser worden is, aber für ein Ei weiß er 10 Pfennig zu verlangen. Die Raunzer, auch Meckerer genannt, werden nicht alle. Sie raunzen entweder aus Ge- wohnheit, aus Dummheit oder besser gesagt : aus Böswilligkeit. Letzten Endes mehr aus Böswilligkeit, denn, wenn heute so mancher Gebirgsbauer es nicht einsieht, daß es auch für ihn besser geworden ist, ist es nur Böswilligkeit und er macht es mit Absicht. So ein Systemling will es heute noch nicht einsehen, daß es auch für ihn im nationalsozialistischen Regime besser geworden ist, als es ihm unter der glorreichen Schuschnigg-Regierung gegangen ist, obwohl er einem Wiener zu sagen weiß, unter 10 Pfennig gebe ich kein Oa (Ei) her. Er soll es beweisen, daß es so ist, wie er behaup-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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