Page - 589 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Image of the Page - 589 -
Text of the Page - 589 -
589Lange
Schatten, kurzer Prozess
einfachung“ – das heißt, Verschärfung – der Verfahrensbestimmungen führte.71
Die Radikalisierung nationalsozialistischer Herrschaft, die wir bereits in anderen
Feldern beobachtet haben, kam auch in der Sondergerichtsbarkeit zu Kriegswirt-
schaftsdelikten zum Tragen.72
Tabelle 7.5 : Sondergerichtliche Spruchpraxis zu Kriegswirtschaftsdelikten in der
Landwirtschaft in Niederdonau 1941–1944
Jahr Gefängnisstrafe (Prozent) Zuchthausstrafe (Prozent)
1941 9 11,1 55,6 22,2 11,1 100,0 88,9 – 11,1 – 100,0
1942 133 28,6 38,3 31,6 1,5 100,0 75,2 6,0 15,8 3,0 100,0
1943 44 31,8 36,4 22,7 9,1 100,0 75,0 6,8 4,5 13,6 100,0
1944 17 41,2 29,4 11,8 17,6 100,0 58,8 11,8 29,4 – 100,0
Anmerkung : Die Angaben für 1940 und 1945 wurden wegen zu geringer Grundgesamtheiten nicht
berücksichtigt.
Quelle : eigene Berechnungen (Datenbasis : 203 Verurteilte) nach WStLA, Sondergericht, Verfahrens-
akten.
Die verfügbaren Sondergerichtsverfahren zu Kriegswirtschaftsdelikten enthalten
Angaben zu 206 Verurteilten, die selbstständig oder unselbstständig in der Land-
wirtschaft beschäftigt waren. Damit lässt sich das Profil des ländlichen „Kriegs-
wirtschaftsverbrechers“ in groben Zügen skizzieren : Unter den Verurteilten be-
fanden sich mehr als ein Viertel Frauen, knapp drei Viertel Männer ; fast zwei
Drittel waren mittleren Alters ; vier Fünftel waren verheiratet ; für 15 Prozent sind
NSDAP-Mitgliedschaft oder Parteianwärterstatus nachweisbar ; 6 Prozent übten
als Ortsbauernführer, Bürgermeister oder Beigeordneter öffentliche Funktionen
aus ; fast vier Fünftel leiteten landwirtschaftliche Betriebe überwiegend mittlerer
Größe ; außerlandwirtschaftliche Berufstätigkeiten sind für ein Zehntel angege-
ben ; mehr als zwei Drittel wurden wegen „Schwarzschlachtung“ verurteilt, fast
die Hälfte wegen „Schleichhandels“ zu Regel- oder Überpreisen, 14 Prozent we-
gen Falschangaben und 5 Prozent wegen verbotener Verfütterung bewirtschafteter
Nahrungsmittel ; über je zwei Drittel wurden Geld- und Gefängnisstrafen, über ein
Viertel Zuchthausstrafen verhängt ; die Urteile stammen großteils von 1942 und
1943, was nicht nur auf die zeitliche Häufung derartiger Sondergerichtsverfahren,
back to the
book Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937