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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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595Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften Schlachthelfer, ein Nachbar und ein Gutsarbeiter aus der Gemeinde und deren Ehefrauen bezeugen könnten ; der Knecht sei zum fraglichen Zeitpunkt wegen seiner Altersschwäche bereits arbeitsunfähig gewesen und von seinen Verwand- ten zur Pflege übernommen worden, worüber dessen Sohn und Schwiegertochter sowie die am Hof tätigen Arbeitskräfte Auskunft geben könnten ; zur Ernährung der Arbeitskräfte sei kein eigenes Frischfleisch, sondern nur eigenes Geselchtes in knappen Mengen und von der Nachbarschaft geborgtes Frischfleisch zur Verfü- gung gestanden, was die Ehefrau, die betreffende Nachbarin, ein am Hof beschäf- tigter Kriegsgefangener sowie das nach der Kündigung der Vormieter in die Miet- wohnung eingezogene Taglöhnerpaar bestätigen könnten ; schließlich wurde der Anzeigenerstatter als „Trinker und Malkontent“ verunglimpft, was in der Einwoh- nerschaft der Gemeinde bekannt sei.78 Diese Verteidigungsstrategie hatte in der sondergerichtlichen Hauptverhandlung Erfolg : Dass Binder von Anfang an eine „Schwarzschlachtung“ gestanden (und die beiden anderen bestritten) hatte, stärkte seine Glaubwürdigkeit ; dass die Belastungszeugen dem Angeklagten feindlich ge- sinnt und zudem in einem Vorwurf, der „Verhamsterung“ des Schweinefleisches unter Beihilfe des Knechtes, durch die Entlastungszeugen widerlegt worden waren, ließ ihre übrigen Vorwürfe unglaubwürdig erscheinen. Vor diesem Hintergrund stufte das Sondergericht den Tatbestand als leichteres Kriegswirtschaftsverbrechen ein. Mit dem Schuldspruch war zwar das Strafverfahren, doch noch nicht der Kampf des Verurteilten gegen die Mühlen der Justiz zu Ende. Die Sondergerichtsbarkeit sah keine Beschwerdemöglichkeit vor. Daher nutzte der Rechtsanwalt Binders die Möglichkeit, Anträge auf Strafunterbrechung und schließlich ein Gnadengesuch einzubringen. Die Argumente, die diesen Anträgen Nachdruck verleihen sollten, nahmen Bezug auf zeitgenössische Denkfiguren, die vor allem von Geschlechter- zuschreibungen geprägt waren : Die Anwesenheit des „Herr[n] am Hofe“ sei erfor- derlich, um notwendige Reparaturen durchzuführen, das Getreide der vergange- nen Ernte zu dreschen, die Felder für den kommende Anbau zu bestellen und die Kriegsgefangenen mit strenger Hand zur Arbeit anzuhalten. Die Ehefrau sei mit diesen Aufgaben naturgemäß überfordert : „Der Bauer fehlt eben überall. Die sich ergebenden und dringenden Arbeiten und Anordnungen sind derart, dass sie eben meiner persönlichen Anwesenheit bedürfen, zumal sich eine Frau, die obendrein noch schwer leidend ist, nicht so durchzusetzen vermag, wie es die ordentliche Fortführung der Wirtschaft unbedingt erfordert.“79 Kurz, die „ordentliche“ Wirtschaftsführung wurde mit Männlichkeit, die aktuelle Unordnung mit Weiblichkeit assoziiert. Diese Denkfigur schien anschlussfähig
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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